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Life is too short for boring stories

Zu vielen meiner Geschichten gibt es einen persönlichen, privaten Zugang. Sei es ein Erlebnis, eine Erzählung oder eine Begegnung. Es ist der inspirierende Funke, um den es geht. Normalerweise lasse ich diesen weg bzw. er bleibt bei mir, so dass die Geschichte für sich selbst steht. Dabei geht es in erster Linie darum den Leser*innen die Freiheit zu lassen, die Geschichte so zu lesen, wie sie sie lesen, mit ihrem persönlichen Hintergrund, ihrer eigenen Herangehensweise. Sobald ich meine Interpretation mitliefere, ersticke ich diese Freiheit, weil ich die Gedanken in eine bestimmte Richtung laufen lasse. Doch bei dieser Geschichtenserie möchte ich dieses normalerweise ausnahmsweise aufgeben, da diese für mich von ganz besonderer Bedeutung ist.

Am Anfang steht immer eine Begegnung

 

Ausgangspunkt für Entwicklung, Veränderung oder Besinnung im Leben ist zumeist – so meine Erfahrung – eine Begegnung. Begegnungen geschehen in den vielfältigsten Formen. Mit Lebewesen, aber auch mit Bildern, Büchern, Botschaften oder – wie es in diesem Fall geschah – mit einem Lied. „Brot und Rosen“, vorgestellt als Frauenlied und für mich entdeckt beim Politliedersingen in Alberts Bücherlager, organisiert monatlich von Chris 4er Peterka. Es sprach mich an, zunächst rein intuitiv, denn es gibt Wörter, die eine Bedeutung haben, die weit über das bezeichnete Ding hinausgeht. Man könnte sie auch als symbolträchtig oder metapherntauglich bezeichnen. Sowohl das Brot und auch die Rosen gehören dazu, als das, was der Mensch zum Überleben braucht, verbunden mit dem was über das nackte Überleben hinausgeht.

 

Brot

 

Brot ist – zumindest in unseren Breiten – ein Grundnahrungsmittel. Es genügt um satt zu werden, für eine Weile. Gerade deshalb hat es auch eine weitreichendere Bedeutung. Es steht auch für Gastfreundschaft und Miteinander. Das, was das Leben grundlegt, wird im Teilen zur Fundierung von Gemeinschaft. Genauso ist es jedoch auch Zeichen der Repression und der Unterdrückung, denn wer die Macht hat Brot zu geben, hat auch jene es vorzuenthalten. Deshalb die klare Forderung nach dem, was eigentlich selbstverständlich sein sollte in einer Gemeinschaft, was das bloße, nackte Überleben sichert. Auch ohne „des Lied zu singen“ besteht das Anrecht auf Brot. Mittlerweile ist das Recht auf Grundnahrungsmittel in die UN-Menschenrechtscharta aufgenommen worden. Hübsch zu lesen und auch nett zu erzählen, so wie sich auch andere Märchen hübsch lesen und nett erzählen lassen. Und ein Märchen ist es allemal, so lange es die Weltgemeinschaft bzw. deren politische Führer es für legitim erachten, dass Grundnahrungsmittel der neoliberalen Wirtschaftssklaverei anheimgestellt werden und damit zynischer Weise in Kauf genommen wird, dass jeden Tag Millionen Menschen verhungern. Obwohl es für alle genug Brot gibt. Und wenn es schon das Brot nicht gibt, warum dann auch noch Rosen fordern?

 

Rosen

 

Zumal wohl bei dem Wort Rosen in unseren Breiten, in denen die meisten warm, satt und trockengelegt leben, vor allem die nostalgisch, romantische Vorstellung eines Symbols für die Liebe, die mit Schmerz verbunden ist, im Vordergrund steht. Wer um das Überleben kämpft, braucht keine Rosen, im Sinne von unnötigem Luxus. Diese Art einer präpotenten Besserwisserei verführt uns gerne dazu uns anzumaßen denen, die nicht dieses Privileg haben, vorzurechnen, wofür sie denn ihr Geld unnötig ausgeben, während wir das dritte I-Phone im selben Jahr auspacken und über einen Billigsturlaub auf den Malediven nachdenken. Es ist nur allzu verführerisch, wenn man von Kindesbeinen an an ein paternalistisches System gewöhnt ist, das uns offenbar das Recht gibt über andere zu urteilen. Dabei stehen die Rosen hier für dieses Mehr als das, was man zum nackten Überleben benötigt, für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, für Zeit haben für soziales Miteinander, einen Ort zum Rückzug, für Licht und Farbe in einem dumpfen, grauen Alltag, aber auch für Sicherheit und Bildung.

 

Nicht einmal diese, eingestandenermaßen hübsche, kleine Symbolträchtigkeit würde eine ausführliche Auseinandersetzung noch nicht rechtfertigen und ich würde nicht davon erzählen, aber wie die Recherche ergab, steht hinter einem einfachen Lied mit gerade mal 16 Zeilen, ein Streik, der es vermochte Diskriminierung, Frauenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit zu überwinden, zu übergreifender Solidarität führte, so dass gemeinsame Ziele erreicht wurden. Leider jedoch auch für die Erfahrung wie schnell all diese positiven Aspekte wieder verloren gehen.

Aus: Weibliche Ohn-machten


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