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Life is too short for boring stories

Der Frühling hatte Einzug gehalten, auch in dem kleinen Dorf in der Nähe von Barcelona, das vor allem von Landwirtschaft geprägt war. Das Land jedoch gehörte Großgrundbesitzern und die Menschen, die in dem Ort lebten waren großteils Tagelöhner, die auf Gedeih und Verderb den Herren der Ländereien ausgeliefert waren. Forderten sie mehr Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen reagierten die Besitzenden rigoros, indem sie Felder einfach brach liegen ließen, so dass die Menschen, die davon abhängig waren, plötzlich gar kein Einkommen hatten. Es war eine Schande, gutes Land verkommen zu lassen und der Willkür von Einzelnen ausgeliefert zu sein. Nämliches galt für Fabriksbesitzer, die die Arbeitenden ebenso ausbluten ließen. Dementsprechend brodelte es wie in einem Druckkochtopf kurz vor der Explosion, in ganz Katalonien, so auch in diesem kleinen Ort.

Die meisten Einwohner*innen waren mittlerweile in der CNT (Confederación Nacional de Trabajo), der anarchistischen Gewerkschaft organisiert, denn diese sah die Befreiung von Kirche, Staat und Bourgeoise vor. Das Land sollte kollektiviert werden und der Ertrag allen zukommen, die es tatsächlich bewirtschafteten und nicht wie die Drohnen irgendwo saßen, von den Früchten der Arbeit anderer lebten und dabei dick und fett wurden, fleißig unterstützt von der Kirche, die auch ihren Anteil daran hatte. Es roch nicht nur nach Frühling, sondern auch nach Revolution.

„Compañeros und Compañeras, wir waren lange genug brav und unterwürfig. Wir mussten zusehen, wie die Landbesitzer uns aushungerten und die Kirche uns dumm hielt. Jetzt endlich haben wir eine neue Lehrerin im Ort, eine, die nach den Prinzipien der Escuela Moderna nach Francisco Ferrer unterrichtet. Er wurde zwar 1909 hingerichtet, aber seine Ideen breiten sich ungehindert fort, gegen eine Kirche, die uns verblödet, einen Staat, der uns unterdrückt, einen Kapitalismus, der uns ausbeutet, für Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit. Doch das ist erst der Anfang. Ihr werdet sehen, noch in diesem Jahr werden die Gründe kollektiviert und die Fabriken in die Obhut der Arbeitenden übernommen. Wir werden uns jeglichem Zugriff entziehen, denn gehungert und gelitten haben wir lange genug. Wenn es für uns besser werden soll, dann müssen wir das selbst in die Hand nehmen“, so weit die Worte von Duena, einer jungen Compañeras, die dafür tosenden Applaus von den Anwesenden erntete. Es war der Tag, an dem sie Fernando, der erst kürzlich in das Dorf gezogen war, zum ersten Mal auffiel. Sofort war er bezaubert von ihr und versuchte von diesem Tag an, so viel Zeit wie möglich in ihrer Nähe zu verbringen. Egal ob bei Versammlungen oder in der Gemeinschaftsküche, immer wieder fanden die beiden die Zeit, zu diskutieren und sich auszutauschen. Ihr Herz schlug unverbrüchlich für die Menschen im Allgemeinen, die Menschen in diesem Dorf im Besonderen, aber es begann sich auch füreinander zu öffnen. Es war der Kampf, der sie einte und das gemeinsame Ziel, das sie vorwärts schauen ließ. Beide waren sie gerade mal 18 Jahre alt und mit der Ungeduld der Jugend, aber auch der unverbrüchlichen Hoffnung, dass alles, was menschengemacht war auch wieder veränderbar war, stürzten sie sich in die Aufgaben, die in der Kommune anfielen. Schon längst war der Pfaffe hinausgeworfen worden und die Kirche versiegelt. Niemand brauchte diesen Aberglauben, niemand, der frei sein wollte. Was fehlte, war der letzte, entscheidende Funke, der das Feuer der Veränderung entzünden würde, noch. Und Duena träumte davon, dass sie endlich kam, die Frage, auf die jedes libertäre Mädchen hofft von dem Burschen, den sie liebt, gestellt zu bekommen.

Es war mittlerweile Mitte Juli geworden. Duena, wie immer in Overall und mit der obligatorischen Mütze, stand mit anderen in der Gemeinschaftsküche und bereitete das Frühstück vor. Sogar eine kleine rot-schwarze Fahne hatte sie sich auf den Latz ihrer Hose genäht, stellte Fernando fest, dem ganz zittrig in den Beinen war. Doch dann nahm er allen Mut zusammen, schritt auf sie zu und sagte die Worte, auf die Duena schon so lange gewartet hatte.
„Duena, willst Du mit mir revolutionieren?“, fragte Fernando atemlos, während er ihr mit der linken Hand einen Pflasterstein hinhielt, „Willst Du, das dies der erste Stein ist, den wir der Barrikade hinzufügen?“
„Ja, ich will“, erklärte Duena freudestrahlend und war sich der Blicke der anderen Frauen nur allzu sehr bewusst, denn das war das schönste Angebot, das ein Mädchen bekommen konnte. Doch da war kein Neid, sondern sie freuten sich miteinander. Dann nahm sie ihm den Pflasterstein ab und ihn an der Hand. Gemeinsam gingen sie nach Barcelona, um rechtzeitig ihren Stein den Barrikaden am 19. Juli 1936 hinzuzufügen, zu kämpfen gegen den Faschismus und für die Freiheit.


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