Ein Hausbesitzer hat ein schweres Leben, im Gegensatz zu all dem Gesindel, das auf Kosten anderer lebt und nicht arbeitet.

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Life is too short for boring stories

Fritz Nagel wischte sich das Fett aus den Mundwinkeln und vom Kinn, das ihm ungehindert während des schmatzenden Kauvorgangs des saftigen Schweinsbratens, den niemand so gut und so üppig zubereitete, wie seine Mutter, zwischen den wulstigen Lippen hervorgequollen war. „Bub, nimm doch noch ein Stück“, sagte die, die ihn geboren hatte und ihm seitdem das kulinarische Überleben sicherte. „Nein, Mama, ich kann nicht mehr. Fünf Stück sind genug und dazu noch die Knödel und das Kraut“, lehnte er dankend ab, während der sich stöhnend im Stuhl zurücklehnte, als es unversehens krachte und er mitsamt Wampe und Pausbacken, die Serviette noch mit den sprichwörtlichen Wurstfingern umklammert haltend, zu Boden stürzte. „Mein Gott, Bub, ist Dir was passiert?“, fragte die sofort herbeistürzende Mutter. „Was glaubst denn Du, Du dumme Trutschn. Meinst, das ist lustig?“, fuhr er sie an. Mühsam brachte er seinen Oberkörper in die Vertikale, was gar nicht so einfach war, bei dem Bauch, der willkürlich herumschwabbelte. Endlich war es ihm gelungen. „Was kaufst auch so ein Klumpat!“, schimpfte er weiter. „Mei, hast ja recht, das hält alles nichts mehr aus“, gab sie ihm gewohnheitsmäßig recht, auch wenn sie genau wusste, dass sie die besonders stabile Ausführung gekauft hatte, aber selbst die schien 150 kg Lebendgewicht nicht lange standzuhalten.

„Aber er ist auch so arm, der arme, arme Bub“, dachte sie, während sie ihm auf die Beine half oder es zumindest versuchte. Aber was sollte Josefine Nagel schon ausrichten, so schmächtig und zart, wie sie war. „Dauernd hat er es so schwer und dann das noch“, ergänzte sie in Gedanken. „Ich geh mich hinlegen“, erklärte er, „Wenn ich dran denke, dass sich andere auf meine Kosten ein schönes Leben machen, nichts arbeiten, aber schön kassieren, das macht mich fertig. Immer bleibt das an uns hängen, die ganze Arbeit und der Verdruss und dann muss man sich noch als bösen, ausbeuterischen Kapitalisten beschimpfen lassen. Hättens was g’hackelt, dann könnte es ihnen auch gut gehen. Arbeitsloses Einkommen nennt sich das so euphemistisch. Es sollte sonst nichts, als Arbeitseinkommen geben. Dabei bin ich doch eigentlich ein guter Mensch, fast schon ein Heiliger, wenn ich so drüber nachdenk. Drei Häuser hab ich. Zwanzig Wohnungen sind in den Häusern. Und die stelle ich gegen geringes Entgeld zur Verfügung. Kein Dach hättens übern Kopf, die Tachinierer alle. Aber wie danken sie es einem? Einen Mietpreisdeckel wollen sie einziehen. Wenn ich allein dran denk, wie viel der Schweinsbraten jetzt kostet, dabei bin ich so zurückhaltend beim Essen. Nichts gönnt man sich. Ach ja, übrigens, ich fliege nächste Woche auf die Malediven. So ein Jammer. Nichts als Zores und dann so eine Allerweltsdestiantion. Wenn die wüssten, wie ich mich einschränken muss, aber niemand hat Mitleid mit einem hart arbeitenden Menschen, der sich selbst so kasteit.“ Damit schlurfte er davon und verzog sich in sein Zimmer, das er seit Kindertagen nutzte. „Ich frag mich, warum sich der Bub keine Frau findet“, dachte die Josefine Nagel, die wie jede gute Mutter dachte, wenn sie ihrem Sohn eine Frau wünschte, die für ihn gut genug war, wohl wissend, dass es keine gab, die dieser Vorgabe entsprechen könnte, keine, die besser wäre, als die Mutter. Seufzend begann sie die Küche zusammenzuräumen.

„Was für ein Tag!“, dachte Lea Loft, als sie rasch das Mittagessen vorbereitete. Spagetti in Tomatensauce. Es musste schnell gehen und billig sein. Nachdem ihr Mann vor einigen Monaten einen schweren Arbeitsunfall gehabt hatte, musste Lea nun ihn und die gemeinsame zweijährige Tochter betreuen. Verwandte oder andere nahestehende Menschen, die sie unterstützt hätten gab es nicht. Deshalb war an einen Wiedereintritt ins Berufsleben nicht zu denken. Vielleicht, so erwog sie, wenn die Kleine in den Kindergarten käme, aber davor bestand keine Chance. Im Augenblick lebten sie von ihrer Arbeitslose, dem Kindergeld und der Rente, die Martin Ehm nach dem Unfall zugesprochen bekam. Es war ein harter Kampf gewesen. Das Deprimierendste war jedoch, dass sie ständig das Gefühl vermittelt bekam, dass sie sich auf Kosten des Staates einen schönen Lenz machen wollte. „Arbeitsloses Einkommen“, nannte sich das. Sie fragte sich, wo denn ihre Zeit hinkam, wenn sie doch den ganzen Tag ohne Arbeit war. Und vor allem galt die Aufsicht und Erziehung der Tochter, die Versorgung ihres Mannes, den sie so nannte, auch wenn sie nicht verheiratet waren, was die Behördengänge zusätzlich erschwerte, galten offenbar nicht als Arbeit, sondern als ihr persönliches Freizeitvergnügen. Hätte sie dieselben Tätigkeiten als Kindergärtnerin oder Pflegerin verrichtet, wäre es plötzlich Arbeit gewesen. Aber so nicht. Das Schlimmste jedoch war der Umzug gewesen.


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