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Life is too short for boring stories

„Und was wäre die Alternative, Ihrer Meinung nach“, hakte die Dame in Luxus gehüllt ein, „Kommunismus? Das hatten wir doch schon einmal. Das ist doch, wenn alle überwacht werden, keiner was hat, weil die Produktion nicht dem Druck der freien Wirtschaft ausgesetzt ist und eh jeder das gleich bekommt, ganz gleich, was er macht. Und wer nicht ins System passt, wird eliminiert. Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein, staatliche Kontrolle und Bespitzelung, keine Demokratie, keine Wahlen, nur Unfreiheit und die Ungleichheit einiger Parteibonzen. Das ist sicherlich keine Alternative.“


„Sie nennen es Kommunismus, aber was Sie damit beschreiben ist der Kapitalismus, wie ihn sich die Liberalen in ihren feuchtfröhlichen Träumen ausmalen“, konterte amüsiert die Frau, die als wirtschaftlich schwach eingestuft wurde, „Menschen, die nicht ins System passen, die sich nicht anpassen, nicht ständig funktionieren, nicht anhaltend arbeiten, konsumieren, sich amüsieren und schlafen, um sich zu regenerieren, damit das Rad wieder von vorne beginnt, werden eliminiert, also so sehr marginalisiert, dass man meint, es gibt sie nicht mehr. Und was ist mit diesen Personen selbst? Sie suchen die Schuld bei sich, wenn sie nicht mitmachen bei dem Spiel dessen wichtigste Regel lautet, alles ist erlaubt, was Dich weiterbringt, egal welche Opfer es bedeutet. Also andere als man selbst. Demokratie wird alle paar Jahre an den Wahlurnen vorgegaukelt, wo man bestenfalls zwischen Parteien wählen kann, die das tun, was ihnen das Kapital vorschreibt. Eine Agrarreform? Ja, aber so, dass die Menschen, die mit Agrikultur betraut sind, nichts ändern müssen, selbst wenn es weitere Umweltzerstörung bedeutet. Nach der Wahl wird dann sowieso gemacht, was beliebt bzw. jenen nutzt, die entsprechend Einfluss auf die agierenden Personen nehmen können. Das Volk bleibt dabei ausgeschlossen. Deshalb heißt das Behältnis, in das man seine Stimme wirft auch sehr treffend Urne, da man sie zu Grabe trägt. Von einer bis zur anderen Wahl hat man als Bürgerin nichts zu melden. Schnauze halten, denn die Wahl war demokratisch. Nächstes Mal kannst eh wieder. Und die Jahre dazwischen? Die politischen Kampagnen verfolgen, die nur einem gelten, der Selbstprofilierung und dem Status Quo. Wer den verletzt, wird garantiert abgewählt. Das ist Demokratie, wenn er vom Kapitalismus beherrscht wird.“
Es ist Zeit für einen weiteren Kaffee. Der Kellner zeigt durch Stirnrunzeln an, dass es ihm nicht gefällt, diese Kommunikation über Klassengrenzen hinweg. Und wie lange diese schon andauerte.

Szene III.

„Alles ist besser, als eine Ein-Parteien-Diktatur. Sie können aber nicht bestreiten, dass der Kapitalismus auch viel an Wohlstand, Gleichheit und Partizipation gebracht hat. Verbesserte Produktionsmittel, technologischer Fortschritt haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen am Wohlstand partizipieren.“
„Fußend auf der Ausbeutung derer, die wir nicht im Blick haben. Fortschritt ist Imperialismus und Wohlstand Vereinnahmung. Die Armut der anderen ist der Wohlstand der einen. Die Herabwürdigung der anderen ist der Fortschritt der einen. Die Enteignung der anderen ist die Aneignung der einen.“
„Aber der Kommunismus predigt doch Enteignung. Also passt es doch wieder.“
„Was für eine spannende Vereinfachung. Der Kommunismus steht für die Enteignung an Produktionsmittel, die Aneignung dessen, was von denen, die arbeiten, eigentlich genutzt und damit notwendig gemacht wird. Niemand wird das Chanel-Kostüm aus dem Kasten klauen, sondern es geht um die Grundlagen einer allgemeinen Besserstellung, die Produktion und das Wissen in den Händen und Köpfen aller. Es ist spannend, dass z.B. in der Pharmaindustrie der Großteil der Forschung von uns allen gezahlt wird, aber die Ergebnisse von den Pharmafirmen vermarktet wird und damit zu deren Profit. Hier werden Kosten vergemeinschaftet und Profite individualisiert. Und wenn ich mir die Besitzverhältnisse ansehe, so ergibt das für Österreich, dass 1% über 50% verfügen. Also wo findet die eigentliche Enteignung statt?“
„Das ist alles hart erarbeitet“, erklärt die scheins betuchte Dame.
„Zins-, Mieteinnahmen und Spekulationsgewinne können wohl kaum als Salär für harte Arbeit gewertet werden. Aber Sie haben recht, jemand hat diese Profite hart erarbeitet, aber es sind nicht die, die sie erhalten.“
„Aber jeder hat die Möglichkeit, durch Einsatz, Fleiß und Disziplin, alles zu erreichen. Das beginnt schon beim für alle zugänglichen Bildungssystem. Jeder hat die Chance durch Bildung vorwärtszukommen.“ Wohlbehütet aufgewachsen in einem Elternhaus, in dem sowohl Vater als auch Mutter Akademikerinnen waren, umgeben von Kunst, Literatur, Kultur und Wissenschaft in aller Selbstverständlichkeit, schien sie das, was sie sagte, sogar zu glauben. Und jetzt, da sie ihre eigene Boutique hatte, dachte sie den Zenit an Erfolg erreicht zu haben, denn es war nicht irgendeine Boutique, denn sie bot darin ihre eigene Kollektion an, unverwechselbar und einmalig. Deshalb hatte sie diese auch äußerst treffend, wie sie fand „Boutique unique“ genannt. Zum ersten Mal während ihres Gesprächs, fragte sie sich ernsthaft, warum sie sich mit dieser Person überhaupt abgab. Die war doch so gar nicht ihr Niveau.

Wie das Gespräch weitergeht, erfährst Du am 12.10. Wenn Du den Blog abonnierst, wirst Du automatisch informiert, wenn der nächste Post erscheint.


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