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Life is too short for boring stories

Zehn Jahre Wildauffangstation bedeuteten auch, dass Klara unendlich viel Leid gesehen hatte, menschengemachtes Leid und sie sich deshalb immer mehr zurückzog. Je mehr sie rettete, versorgte, pflegte, desto mehr schienen es zu werden. So stark sie auch sein mochte, selbst sie kam langsam an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Deshalb sollte diese Feier nicht nur dem dazu dienen, Einblick in die Arbeit zu geben, sondern auch Menschen zu finden, die bereit wären, Klara zu unterstützen. „Platz hätte ich genug“, dachte sie, während sie sich wünschte, dass diese Feier bald vorbei wäre, denn sie hielt den Trubel nur schwer aus. „Doch fremde Leute im Haus zu haben, das setzt mich gehörig unter Druck“, war sie überzeugt, „Aber vielleicht wird es nicht so schlimm, wenn es die richtigen sind. Ich habe einfach zu lange allein gelebt“, versuchte sie sich selbst Mut zuzusprechen. Tatsächlich war sie bis zum Ende der Festivität mit zwei jungen Menschen übereingekommen, dass sie es miteinander probieren wollten, Klara mit ihnen und sie mit Klara.

Beate Busch war Veterinärin und Stefan Stein Biologe. Beide hatten vor Kurzem ihr Studium beendet, konnten sich aber nicht einfinden in ein althergebrachtes Berufsschema, so dass sie froh waren, diese Möglichkeit ergreifen zu können. Die Bezahlung war zwar nicht überragend, aber dafür war es eine Herausforderung, mehr noch eine besondere Aufgabe, zumindest für sie. Wenige Tage später zogen sie ein. Klaras Befürchtungen, dass die beiden ihr zunächst mehr Last als Hilfe sein würden, stellten sich als falsch heraus. Von Anfang an war sie spürbar entlastet und konnte auch einmal einen längeren Waldspaziergang machen oder ein Buch lesen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Auch das Zusammenleben war problemlos, denn außerhalb der Mahlzeiten und der Arbeit zogen sie sich in ihren Teil des Hauses zurück oder in die Natur. Alle drei lebten aus ethischer Überzeugung vegan, so dass sich auch daraus keine Probleme ergaben.

Mittlerweile war ein halbes Jahr vergangen und Klara konnte sich schon nicht mehr vorstellen, dass es je anders gewesen war. Das Wichtigste für alle drei war die Aufgabe, die sie übernommen hatten und für Klara war es selbstverständlich, dass Beate und Stefan genau so dachten wie sie. Vielleicht war Klara in zwischenmenschlichen Belangen einfach zu unerfahren oder zu naiv, um zu bemerken, dass es unter der glatten Oberfläche wild brodelte. Beate machte zwar ihre Arbeit gewissenhaft und eine Veterinärin am Hof zu haben war wohl das Beste, was passieren konnte, aber sie war auch Stefan emotional zugetan. Dieser jedoch erwiderte ihre Zuneigung nicht in der Art, in der sie es sich gewünscht hätte. Stattdessen war Stefan davon überzeugt, Klara für sich gewinnen zu können, nicht nur als Streiter für die Tiere, sondern auch als Mann.

Es war bereits spät am Abend, als Stefan nach seinem letzten Kontrollgang in der Küche saß und Tee trank, um sich aufzuwärmen, als Klara unvermutet hereinkam. Sie hatte nicht schlafen können, wie sie zugab, so dass sie sich teetrinkend zu ihm gesellte. Stefan hielt dies für einen Wink des Schicksals und rückte näher an Klara heran. „Klara, ich habe über uns nachgedacht“, begann er, etwas hilflos nach Worten suchend, „Du musst doch zugeben, wir sind ein super Team.“ „Ja, das sind wir“, gestand ihm Klara unumwunden zu, „Ich bin sehr froh, dass ihr beide hier seid, um mich zu unterstützen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie ich das früher alles alleine geschafft habe.“ „Das ja, das auch“, meinte Stefan, der merkte, dass Klara ihn nicht verstand, zumindest nicht so, wie er es sich gewünscht hätte, „Beate ist gut in dem, was sie tut. Aber ich meinte eigentlich uns beide, Dich und mich.“ Nachdenklich sah Klara ihr Gegenüber an. Endlich hatte sie begriffen, worauf er hinauswollte. „Ja natürlich, er war nicht nur ein Mitstreiter, sondern auch ein Mann“, dachte sie, „Es war mir bis jetzt nur nicht bewusst gewesen, aber am allerwenigsten, dass er Interesse an mir hätte.“ Deshalb hörte sie in sich hinein, ob es für sie etwas änderte, diese Einsicht. Doch da war nichts, was auch nur im Entferntesten darauf hindeuten würde. Seit ihr Freund sie verlassen hatte, hatte sie keine Beziehung mehr gehabt. Es war ihr nichts abgegangen, so sehr war sie in ihrer Arbeit aufgegangen. Doch wie wäre es, jetzt, wo sie sich nicht mehr völlig verausgaben musste, doch einen Mann in ihrem Leben zuzulassen? Wie würde es sich verändern? Hätte sie denn tatsächlich einen Platz für ihn? Und wenn ja, was müsste sie für sich ändern? Wollte sie denn etwas ändern?

Hier kommst Du zu Teil 3.

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