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Life is too short for boring stories

Wenn Du den Raum betrittst, geht ein Raunen durch die Reihen der anwesenden Damen. „War für ein gutaussehender Mann“, kann man ihnen förmlich von den Lippen ablesen, doch diese Reaktion ist nicht unbedingt nur dem Aussehen geschuldet, nicht einmal in der Hauptsache, sondern der Art des Auftritts. Das Hemd bis unter das Brustbein geöffnet, sieht man Deine männlich behaarte Brust. Jedes einzelne Härchen schreit Männlichkeit. Das Becken leicht vorgestreckt, so dass unmissverständlich klar ist, schau, ich habe einen Penis, und die, die damit angesprochen werden sollen, die haben keinen, aber das macht nichts, denn Du bist durchaus bereit ihn zu verleihen, an all die zu kurz gekommen, die keinen Schwanz ihr eigen nennen, bereit, sie damit zu beglücken, denn das ist Deine Aufgabe, Deine Hingabe, in all Deiner Selbstlosigkeit, als Gottes Geschenk an die Frauen.

Kurz bleibst Du stehen, nicht darauf vergessend, sanft das Becken zu bewegen. Da bleibt kein Interpretationsspielraum, sondern sagt unmissverständlich, eine von Euch werde ich heute vögeln, doch es ist noch nicht sicher, welche die Glückliche sein wird, die Auserwählte, Auserkorene. Du siehst Dich um. Schmachten siehst Du sie, darben, nach dem Elexier des Lebens. Du fragst Dich, welche von ihnen denn würdig wäre, sich vor Dir niederzuknien und dem Phallus ihren Tribut zollen zu dürfen, welche von ihnen ist bedürftig genug. Zuerst sortierst Du alle aus, die Deinem Schönheitsideal nicht entsprechen, denn schließlich musst Du sorgsam umgehen mit diesem einzigartigen Geschenk. Da fallen die Dicken weg. Die als allererst. Das wäre doch zu peinlich. Die sind so unästhetisch. Dann die mit zu großen oder zu kleinen Brüsten, zu breiten oder zu schmalen Hüften und die zu Alten. Da bleiben nicht mehr viele übrig. Doch Du wirst nur eine beglücken, heute. Du blickst denen in die Augen, die die Prüfung überstanden haben, denn darin kannst Du lesen, welche es denn wirklich zu würdigen weiß, Dich, als Gottes Geschenk an die Frauen.

Endlich hast Du Deine Wahl getroffen, nimmst den federnden, wippenden Gang wieder auf und steuerst direkt auf sie zu, Dein bezauberndstes Lächeln auf den Lippen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie standhaft bleibt und nicht vor lauter Freude in Ohnmacht fällt. Nein, sie steht, wohl vibrierend vor Freude und zitternd vor Ehrfurcht, wie es sich gehört. Sie saugt den Duft des überbordenden Testosterons ein, ein leichter Schwindel befällt sie. Und sie wünscht sich nichts, als vor Dir in die Knie gehen zu dürfen, den Schwanz zu kosten, den sie nicht hat, aber den Du in Deiner Güte zur Verfügung stellst, denn Du bist Gottes Geschenk an die Frauen.

„Warum tust Du das?“, hatte ich Dich dereinst gefragt, „Brauchst Du es, um Dein Ego zu stabilisieren.“
„Aber mitnichten, Du verkennst mich“, sagtest Du, immer noch dieses schmierige, einstudierte Lächeln im Gesicht, „Das ist meine Mission. Ich kann gar nicht anders. Ich bin hier auf der Welt, um die Frauen zu beglücken. Ich kann nicht monogam sein. Das widerspricht meinem Sendungsbewusstsein, denn ich bin Gottes Geschenk an die Frauen.“
„Und was sagt Deine Frau dazu?“, fragte ich unbeirrt weiter.
„Die weiß nichts davon und darf auch nichts davon wissen. Sie würde es nicht verstehen, auch wenn sie mich zu würdigen weiß. So lange alles im Verborgenen bleibt, ist alles gut“, meintest Du.
„Du hast also Angst sie zu verlieren, wenn Du ehrlich wärst?“, blieb ich hartnäckig.
„Nicht unbedingt sie, aber das Haus“, antwortetest Du unverblümt.
„Und sie hält es genauso?“, wollte ich außerdem noch wissen.
„Natürlich nicht!“, zeigtest Du Dich empört, „Wehe wenn sie einen anderen auch nur ansieht. Aber wie wärs mit uns beiden?“
„Nein, danke“, erwiderte ich unverblümt, „Beglücke wen Du magst, belüge so viel Du willst, auch Dich selbst, aber ich habe keine Lust mich in die lange Reihe Deiner Damen einzureihen.“
„Du hast tatsächlich Nein gesagt?“, fragtest Du fassungslos, „Aber ich bin es doch, Gottes Geschenk an die Frauen.“
„Dann beschenke eine andere, gibt eh genug davon, die sich nach Dir verzehren und das Geschenk zu schätzen wissen“, sagte ich ungerührt und ging, während Du Dich einer anderen zuwandtest. Geschenke, vor allem Gottes Geschenke, dürfen nicht für sich behalten werden.

Lesestoff für Liebhaber*innen von Mystischem und Skurrilem

Schattenraben

Anonym

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