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Life is too short for boring stories

Es war eine jener seltenen Gelegenheiten, da ich unverhofft Zeit für mich hatte. So ging ich in mein Lieblingscafé und freute mich schon darauf in Ruhe zu lesen. Ich hatte gerade das Buch aufgeschlagen, als ich hinter mir die typischen Geräusche einer herannahenden Mädchengruppe vernahm. Leises Stimmengeflimmer, dazwischen Gekicher, das Rascheln der Gewänder und die leichten Trippelschrittchen. Sie nahmen am Tisch hinter mir Platz, stellten Tüten und Taschen ab. Auch das war beim besten Willen nicht zu überhören. Auch die typischen Bestellungen, Kaffee mit Kuhbabymilch, Torten mit Schlagobers, auch aus Kuhbabymilch gemacht. Aber es schmeckt. Ich nahm es zur Kenntnis und wandte mich wieder meinem Buch zu.

„Jetzt stellt Euch mal, hat er mir tatsächlich gesagt, ich denke nicht logisch“, sagte die eine, in einer netten Mädchenstimme, jedoch laut genug, dass sie mich aus meiner Lektüre riss, „Und das nur, weil ich mir die Gebrauchsanweisung nicht durchgelesen habe. Wer tut das schon?“

„Aber Du hast ihm die Meinung gegeigt?“, erwiderte eine andere, ebenso unüberhörbar.

„Klar habe ich das, aber ich weiß nicht, warum ich mir das überhaupt antue“, seufzte erstere.

„Recht hast Du, nichts als Zores hat man mit denen“, meinte zweitere, „Warum man sich das überhaupt antut?“

„Wisst ihr was meiner mir letztens vorwarf?“, mischte sich nun eine Stimme ein, die ich noch nicht kannte. Offenbar waren es drei Mädels, obwohl ich mir gar nicht mehr so sicher war, ob es wirklich Mädchen waren, trotz der überkandidelten Stimmen und dem teenagerhaften Lachen, denn ganz offensichtlich sprachen sie von ihren Männern. „Er warf mir doch glatt vor, ich gebe zu viel Geld aus. Aber dabei ist es alles notwendig.“

„Und angeben tun sie auch gerne mit uns, wenn wir gut aussehen. Das kostet halt“, meinte zweitere zustimmend, „Aber das verstehen Männer eben nicht.“

„Du sag mal, wo bleibt denn unsere kleine Dicke“, meinte nun erstere wieder, „Die wollte doch auch kommen.“

„Wahrscheinlich arbeitet sie noch daran ihre Massen durch die Tür zu bekommen“, witzelte jene, die sich als letzte ins Gespräch eingeschaltet hatte. Höhnisches Gelächter folgte.

„Und da wundert sie sich, dass sie keinen Mann abkriegt, so fett wie sie ist“, meinte nun zweite.

„Frisst, als würde es kein Morgen geben und jammert, dass sie keiner anschaut“, erklärte die Dritte, „Schon arm, solche Frauen. Aber es hat immer einen Grund.“

„Pscht, sie kommt“, flüsterte nun erstere, die die, über die gerade gelästert wurde, zuerst erspähte.

„Hallo“, sagten sie wie im Chor.

„Hallo“, kam die Erwiderung.

„Gut siehst Du aus“, erklärte zweitere.

 

Es war der Moment, in dem ich mich umdrehte, um mir die Mädchen, wie ich angenommen hatte, anzusehen. Und ich hatte mich tatsächlich geirrt. Trotz der Art der Konversation, trotz des spitzen Lachens, handelte es sich um durchaus gediegene Damen, ich schätzte, um die 50. Und dennoch hatte sich an ihren Gesprächen seit Teenagertagen offenbar nichts geändert. Wenn eine einen Mann hat, dann hat sie ihn, im Sinne von besitzen, hat ihn, um nur über ihn zu lästern. Aber es ist alles in Ordnung, denn sie hat ja immerhin einen abgekriegt. Eine Frau jedoch, die Single ist, ist es ja nur, weil sie keinen abgekriegt hat, und damit nichts weiter im Sinn haben kann, als sich einen zu suchen, denn ohne Mann ist man nicht unglücklich genug. Keine von denen kann sich offenbar vorstellen, dass eine Frau ohne Mann ein erfülltes Leben haben kann, Aufgaben und Herausforderungen. Schade eigentlich, denke ich, wende mich um, schnappe meine Sachen und wechsle den Tisch, denn jede Art der Dummheit muss ich mir nun wirklich nicht zu Gemüte führen.

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2 Gedanken zu “Die hat keinen abgekriegt

  1. Nadine Hoffmann-Voigt sagt:

    jo.

    1. novels4utoo sagt:

      eh 😉

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