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Life is too short for boring stories

„Du redest zu viel“, warfst Du ein, als ich es endlich schaffte zwischen zwei Sätzen Luft zu holen, so dass ich zwar den Satz vor Deinem Einwurf noch zu Ende sprach, mir aber der, den ich folgen lassen wollte, irgendwo zwischen Wollen und Tat, entschwand. Automatisch dachte ich, was das nun für mich konkret bedeutete, wenn Du meintest, dass ich zu viel rede. Zugegebenermaßen, nachdem mein erster Reflex darin bestand, dass ich die Arme vor der Brust verschränkte, die Augen zu Schlitzen verengte und dachte, „So, und jetzt sage ich gar nichts mehr. Das hast Du jetzt davon.“

Aussprechen konnte ich es logischerweise nicht, denn sonst hätte ich mir selbst widersprochen und mein Vorhaben ad absurdum geführt. Deshalb versteckte ich das trotzige Kind in mir wieder sorgfältig in seinem Spielzimmer, und dachte nach. Nun vernünftig. So vernünftig zumindest, wie es mir unter den gegebenen Umständen möglich war.

 

Ich kann natürlich nicht verleugnen, dass ich gerne rede. Zumal, wenn es sich um Themen handelt, bei denen ich der Überzeugung bin, etwas beitragen zu können. Aber was bedeutet, etwas beitragen? Ich würde sagen, das ist etwas, in dem Fall eine Aussage, durch die irgend jemand einen Erkenntnisgewinn erzielt. Dazu müsste ich allerdings vorweg über den Wissensstand aller Zuhörenden informiert sein. Aber, Hand aufs Herz einmal, wie viele Wortbeträge dienen tatsächlich der Informationsweitergabe? Besteht nicht der Großteil des Redens im Reden um des Redens willen. Watzlawick beschreibt es positiver damit, dass rund 90% unserer Gespräche der Beziehungsarbeit dienen, also den Wunsch manifestieren, miteinander in Interaktion zu sein und zu bleiben. Also letztlich, nichts als heiße Luft. Ist es das, was Du meinst, wenn Du sagst, ich rede „zu viel“? Ist es ein Zuviel an Einfordern von Aufmerksamkeit und Miteinander? Kurz gesagt, gehe ich Dir auf die Nerven, bin ich Dir lästig? Daran schließt sich folgerichtig sofort die Frage an, warum Du es dann nicht sagst? Natürlich klingt „Du redest zu viel“ netter, als „Du gehst mir auf die Nerven“. Und wie wir wissen wird nirgends so viel verklausuliert gesagt, als in sogenannten Beziehungen.

 

Wir werden nicht nur nach unseren Taten gerichtet, sondern auch nach jedem unnötigen Wort, das wir sprechen, fällt mir unwillkürlich ein, sinngemäß die Aussage von Ferdinand Ebner, der, neben Martin Buber, ein Vertreter des dialogischen Denkens war, in seinem Werk „Das Wort und die geistigen Realitäten“. Das könnte für den einen oder anderen einen Erkenntnisgewinn darstellen, weil er zuvor weder von besagten Herren, noch von jener philosophischen Richtung je gehört hatte. Woran sich die Zweischneidigkeit des Anspruchs „Erkenntnisgewinn“ verdeutlichen lässt, denn es mag sich wohl um einen solchen handeln, aber einer, der einem aufgezwungen wird, weil er schlicht und ergreifend für den Zuhörenden uninteressant und irrelevant ist. So gesehen ist jede willkürliche Äußerung ein Zwang, um nicht das böse Wort Vergewaltigung zu bemühen. So wie ich auch jetzt meinen Gedankengängen über das „zu viel“ des Redens aufzwinge.

 

„Gerichtet nach jedem unnötigen Wort“, was vielleicht nichts anderes sagen soll als „Sei achtsam mit Deinen Worten“, also mit dem Einfordern von Aufmerksamkeit und Miteinander. „Sei achtsam mit mir!“

 

Achtsamkeit, gerade den Menschen gegenüber, die einem nahestehen, denn „Zu Hause ist, wo man sich nicht erklären muss“. Und so wäre es manchmal gut, ab und an oder gar ein wenig öfter, ein bisschen weniger zu erklären, weil es bei Dir gar nicht notwendig ist, weil Du mich verstehst und annimmst so wie ich bin, ganz ohne unnötige Erklärung, ganz ohne zu viel reden.

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