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Life is too short for boring stories

„Du hast Dich in letzter Zeit ziemlich rar gemacht”, erinnerte ich mich das Gespräch, nach einer kurzen Begrüßung, mit meiner Freundin eingeleitet zu haben. Wohlgemerkt, mit meiner besten Freundin. Eigentlich hatte ich die Vermutung gehegt, dass da ein neuer Mann seine Finger im Spiel hatte. Schließlich hatten wir das schon einige Male durchexerziert. Es war jedes Mal dasselbe. Sie lernte einen Mann kennen, den sie im Handumdrehen zu ihrem Traumprinzen erklärte. Dann versank sie im Allgemeinen in der Versenkung, bis zu jenem Tag, da sie erkannte, dass er weder ein Prinz noch ein Traum war, sondern ziemlich real, mit all den Nachteilen behaftet, mit denen reale Männer nun mal gesegnet zu sein pflegen. Der einzige Unterschied war, dass die Halbwertszeit zwischen Kennenlernen und Ernüchterung immer kürzer wurde.

Jedes Mal schwor sie danach Stein und Bein, dass sie sich nie wieder auf einen Mann einlassen würde. Schließlich hatte sie so vielen Interessen, Ambitionen und Aufgaben, da war genau genommen gar kein Platz für einen Mann. Es kostet doch nur Zeit und Kraft, die fataler Weise falsch investiert seien. Das war mittlerweile ein halbes Jahr her, dass ich diesen Schwur das letzte Mal vernommen hatte, und ich tendierte bereits dazu, ihr diesmal Glauben zu schenken. Es schien ihr tatsächlich bitterernst zu sein.

„Ich bin intelligent, frei, unabhängig, unbelastet und glücklich. Eine glückliche Singelfrau”, hatte sie damals gesagt und war davongestapft. Und dann kamen die zehn Wochen, in denen ich nur ganz kurz einmal dazwischen von ihr las. „Ein neuer Mann”, dachte ich lächelnd, „Sie wird es mir schon erzählen.” Wie festgefahren meine Gedanken doch waren, dass es keine andere Möglichkeit geben konnte. Wer kommt aber auch auf solch eine Idee. Immer noch starrte ich das Telefon in meiner Hand an. Hatte ich das wirklich richtig verstanden? Oder träumte ich nur? Kann man im Traum auf Dinge kommen, von denen man noch nie was gehört hat?

„So ein Unsinn”, hatte sie meine Vermutung abgewehrt, „Du weißt doch, nie wieder ein Mann in meinem Leben und Du weißt auch warum.” Und wie ich wusste warum. Sie hatte es mir oft genug auseinandergesetzt, und ebenso oft das Gegenteil, aber das behielt ich lieber für mich. Sie war ein wenig empfindlich was das betraf.

„Viel besser als jeder Mann auf dieser Welt, viel besser, als überhaupt irgendetwas im Leben”, fuhr sie rasch fort, wohl um zu verhindern, dass ich vielleicht doch noch etwas ergänzen könnte, „Ich werde am Sonntag heiraten”, erklärte sie, mit jener Feierlichkeit in der Stimme, die dieser Art von Mitteilungen wohl gebührten. Ich wollte schon auftrumpfen, wollte einwerfen, dass ich also doch recht gehabt hatte mit meiner Vermutung, aber ich kam nicht dazu, denn sie fuhr fort: „Ich heirate den Menschen, der mir am nächsten steht, den ich am meisten auf der Welt liebe, mich selbst.” Hätte sie nun erwartet, dass ich sprachlos war, so hätte sie recht gehabt, den mir fehlten definitiv die Worte.

„Und, willst Du mir gar nicht gratulieren?”, hörte ich ihre Stimme, die die Ungeduld nicht zu verbergen mochte.

„Ich weiß jetzt nicht genau was ich sagen soll”, erwiderte ich wahrheitsgemäß, “Das ist irgendwie ungewöhnlich.”

„Das ist überhaupt nicht ungewöhnlich. Du sagst jetzt einfach, ich gratuliere herzlichst zur bevorstehenden Vermählung”, sprach sie mir vor, woraufhin ich ihre Worte pflichtgemäß wiederholte. Es klang nur ein wenig mechanisch.

„Braves Mädchen”, quittierte sie meine Folgsamkeit umgehend, „Ich möchte, dass Du meine Trauzeugin bist, dann gehen wir essen und ich werde Dir die ganze Geschichte erzählen, die ganze wunderbare Lovestory.”

Und jetzt saß ich immer noch mit dem Telefon in der Hand da, starrte darauf, als ob ich es zwingen könnte, mir auch nur eine meiner hunderten Fragen zu beantworten. Es blieb jedoch stoisch. Sich selbst heiraten, und das sollte nun nicht ungewöhnlich sein. Wie sollte das gehen? Wofür sollte das gut sein? Und überhaupt, kann man sich dann auch scheiden lassen?  Aber die wichtigste Frage von allen, was sollte ich anziehen?

Es sah danach als müsste ich mich tatsächlich noch gedulden. Aufgeregt fand ich mich an besagtem Sonntag zu jener mysteriösen Hochzeit ein.

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