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Life is too short for boring stories

„Bereit sein ist alles“, ging es ihm immer und immer wieder durch den Kopf. Wie festgenagelt war der Satz. Umso mehr er sich darum bemühte ihn wegzubekommen, desto tiefer trieb er den Nagel, der ihn hielt.

„Bereit sein ist alles“, als wenn er das nicht wäre. Immer am Sprung, immer die Gesamtsituation im Blick. Und dann kam so etwas. Noch dazu aus dem Munde von jemandem, der erst einmal die Spuren gegangen sein musste, die er hinterlassen hatte. Niemals würde er hineinpassen. Dennoch spuckte er solche Töne. Das wäre noch gegangen. Sollte der doch reden. Aber da gab es tatsächlich Leute, die sich davon beeindrucken ließen. Er verstand die Welt nicht mehr. Aber es lag wohl nur an der Müdigkeit, die ihm bleischwer auf den Schultern lastete.

„Bloß noch ein Bier“, hatte er sich gedacht, „und dann nach Hause und ins Bett.“ Mit diesem Plan war er in die Bar gegangen, die erstbeste, die er auf seinem Weg fand. Schnurstracks war er zum Tresen gegangen, bestellte das Bier und trank begierig den ersten Schluck. Wohltuend breitete es sich in seinem Körper aus.

„Bloß noch ein Bier oder vielleicht auch ein zweites“, begann er bereits den Gedanken zu präzisieren, der ihn hierhergeführt hatte. Nach Hause und ins Bett konnte er immer noch. Es hatte keine Eile. Morgen, das wusste er bereits, würde einer dieser unbestimmten Tage sein, die keine feste Struktur in Form von Terminen aufwies. Er genoss das Bier und kam langsam wieder zurück. Neugierig ließ er den Blick durch das Lokal wandern. Ein Pärchen, das engumschlungen im Eck saß. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie das Lokal verlassen würden, nicht mehr lange, bis sie überzeugt war, stellte er mit Sachkenntnis fest. Die vier schwätzenden Hausfrauen überging er ebenso rasch wie die Männerpartie, die nichts taten, als sich gegenseitig zu übertrumpfen. Zuletzt musterte er den Klavierspieler, der mit wenig Enthusiasmus den Tasten malträtierte. Ob mit Lust oder Unlust konnte ihm egal sein. Er hätte es nur zu schätzen gewusst, wenn der bezahlte Musiker zumindest die richtigen Tasten fand. Außer ihn schien es allerdings niemanden zu stören.

Die Bar hielt vollinhaltlich, was sie von außen versprochen hatte, nämlich nichts. Unscheinbar und belanglos. Kurz registrierte er, dass die Türe sich öffnete und wieder schloss, rasche Schritte folgten. Starr sah er auf sein Bier. Nein, das Leben hielt keine Überraschungen mehr bereit, zumal, wenn man so viel erlebt hatte wie er. Vielleicht sollte er sich damit zufriedengeben.

Da war es ihm plötzlich, als würde sich ein Blick in seinen Rücken bohren. Als wenn es das gäbe. Dennoch wandte er sich um. Unverwandt sah sie ihn an, mit aller Offenheit, als hätte sie darauf vergessen, dass sie es tat. Was für ein Körper, stellte er sofort fest, alles dort, wohin es gehörte, und wie es ihm gefiel. Ganz offensichtlich hatte er sich geirrt, das Leben hielt doch noch Überraschungen bereit. Unwillkürlich musste er lächeln. Und er fand das Lächeln erwidert.

„Bereit sein ist alles“, wiederholte nochmals, doch diesmal hatte der Satz einen auffordernden Charakter. Nur allzu gerne kam er dieser Aufforderung nach, der des Satzes und ihres Blickes. Wortlos ging er zu ihr hinüber und bot ihr seine Hand, die sie ohne auch nur einen Moment zu überlegen ergriff. Plötzlich war ihm alles egal, da er spürte wie sich ihr Körper bereitwillig an den seinen schmiegte, und was er spürte, bestätigte seinen ersten Eindruck, aber er hatte sich schließlich noch nie geirrt. Und in dem Moment wusste er, das war erst der Anfang einer wunderbaren Nacht. Er hatte keine Eile.

Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten

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