„Es kann ganz anders gehen“, fuhr er fort, „Adam hat sich aus einer momentanen Laune heraus verführen lassen, aus Neid und Eifersucht, wohl auch, weil er sah, was er nicht hatte, sah nur die Vorzüge Frau zu sein und verkannte damit sich selbst.“
„Wie meinst Du das?“, fragte unsere Freundin.
„Eine Frau ist vielleicht multiorgasmusfähig und in der Lage anders zu empfinden, aber sie ist auch komplizierter in ihrer Empfindungsfähigkeit. Viele Frauen sind nicht fähig sich der Lust wirklich hinzugeben, warum auch immer“, begann er zu erklären, „Der Mann hingegen ist straight, man könnte auch sagen, einfach gestrickt, ohne das jetzt abwertend zu meinen. Es gibt noch einige andere Punkte, die die weibliche von der männlichen Sexualität unterscheiden. Das bedeutet nicht, dass eine besser und die andere schlechter ist, sondern einfach, dass es anders ist.“
„Und Adam sah nur, dass Lilith etwas konnte, wozu er nicht in der Lage war. Das war es, was ihn wütend machte, wie ein kleines Kind, das seine eigenen Spielzeuge hat, aber das von den anderen, das es selbst nicht hat, als besser empfindet.“
„Genau. Lilith hingegen sah es, die Ergänzung, das Ganz-Werden“, meinte meine Freundin, „Ich denke, sie wäre auch zufrieden gewesen, wenn sie keine drei Orgasmen gehabt hätte, sondern nur einen oder vielleicht sogar gar keinen. Egal. Letztendlich war es ein Kompliment an ihn. Er war ihr Erfüllung und Freiheit in der Hingabe.“
„Genau das ist es“, bestätigte er, „Hätte nun also Adam gesehen, was für ein Geschenk er in ihr hatte, gerade in ihrer Freiheit, dann hätte er keinen Grund gehabt sie zu unterdrücken. Ganz im Gegenteil, es wäre ihm ein Anliegen gewesen, diese Freiheit zu schützen, denn sie kam auch ihm zugute.“
„So waren beide unglücklich, nachdem Lilith gegangen ist und Eva sich klaglos einfügte, vorerst“, meinte sie sinnend, „Aber die Unzufriedenheit machte sich auf andere Weise Luft, so dass Mann und Frau zu Gegnern wurden, die sich bekriegten. Und wo es Krieg gibt, kann es keine Gewinner geben.“
„Deshalb ist es an der Zeit Eva rauszuschmeißen und Lilith zurückzuholen“, warf ich emphatisch ein.
„Aber Adam ist doch der gleiche geblieben. Würde das denn wirklich etwas bringen?“, fragte sie skeptisch.
„Vielleicht gibt es ihn noch, den alten Adam. Sehr sicher sogar, aber das bedeutet nicht, dass es auch den neuen Adam gibt, der sich mit Lilith aussöhnt“, erklärte er, voller Zuversicht, „Ich zumindest würde Lilith auf jeden Fall Eva vorziehen.“
„Ein neuer Adam und eine neue Lilith“, sagte ich sinnend, „Ein Adam, der nicht mehr herrschen und töten und verletzen muss. Und eine Lilith, die ihm auf Augenhöhe begegnet, ohne Gräben, ohne Kämpfe um Vorherrschaft. Stattdessen findet jeder seinen Platz im Miteinander, eingebettet in den fließenden Kreislauf. Eine wunderschöne Vorstellung. Mann und Frau, die sich gleichwertig Raum sind für ihre gegenseitige Entfaltung. Ohne Neid oder Missgunst, sondern nur neugierig vom anderen zu lernen und selbst mehr zu werden. Es ist gut nicht zu brauchen, sondern zu dürfen.“
„Es ist gut nicht besitzen zu wollen oder zu müssen, sondern frei zu sein und frei zu geben, auch in einer Partnerschaft“, erklärte er sinnend.
Rasch schlüpfte ich in mein Kleid. Es war Zeit für mich zu gehen und die beiden ihrer Entfaltung zu überlassen. Ich hatte gefunden, was ich gesucht hatte, den Namen und die Gewissheit, dass Ganzheit und Miteinander sich nicht widersprechen, sondern womöglich sich gegenseitig bedingen. Auf Augenhöhe, anerkannt und gleichwertig.
