„Schön, dass Du da bist!“, sagte sie, als er an diesem Abend nach Hause gekommen war. Kaum, dass er die Türe aufgeschlossen hatte, war sie ihm entgegengekommen und ihm die Arme auf die Schultern gelegt. Während sie ihm das schneefeuchte Haar aus dem Gesicht strich, sah sie ihn, mit ihren sanften, warmen Augen, das ein Lächeln umrahmte, bevor sie ihn küsste. Ihr Buch lag noch neben dem Kamin. Er sah auch eine Tasse Tee. Sie hatte sich eingerollt, wie ein Kätzchen, weil sie die Wärme so mochte, doch all das hatte sie stehen gelassen, als sie ihn kommen hörte. Immer schon war es so gewesen. Er konnte sich an kein einziges Mal erinnern, dass es nicht so gewesen wäre. Wenn er mitten in der Nacht nach Hause kam und sie bereits schlief, so konnte er sich darauf verlassen, dass sie aufwachte. Ein Kuss. Ein Lächeln. Nichts weiter. Mit aller Selbstverständlichkeit. Kleine Gesten. Unspektakulär. Fast unmerklich. So unmerklich, dass es ihm gar nicht mehr auffiel.
Aber an diesem Abend war er durch die Straßen gegangen. Weihnachten war vorbei. Das Fest war fertiggefeiert. Viele waren froh darüber, aber überall waren die Spuren noch zu sehen. Vor allem die glitzernde Beleuchtung drängte sich auf. Immer und überall war sie zu sehen. Zierte die Straßen. Weckte Illusionen. Weihnachten in der Glitzerwelt. Künstliches Licht für die künstliche Fröhlichkeit, die immer lauter, hektischer wird, bis sie sich überschlägt. Umso mehr sie versucht ihre Künstlichkeit zu verbergen, desto mehr tritt sie hervor. Einen üblen Geschmack hinterlassend. Da war nichts was berührte. Es war viel zu aufgeblasen um echt zu sein. Er hatte es so satt, das Getue und das Gezeter. Immer lauter. Immer wilder.
Aber ihre Gesten, die waren leise und sacht. Sie drängte sich nicht vor, sondern blieb einfach an seiner Seite. Mit aller Selbstverständlichkeit einer Liebe, die sich nicht mehr zu erklären braucht, weil sie sich als Erklärung genügt. Weil sie sich lebt und Lebendigkeit vermittelt, gerade in dieser Schlichtheit. Er hatte es so oft erleben dürfen. So oft, dass er es bereits übersah. Doch an diesem Abend, da hatte er es wiederentdeckt. Abgestoßen, angewidert von all der künstlichen Heiterkeit, war ihr Lächeln wie ein Sonnenschein im Schneetreiben. Sie hatte alles stehen und liegen gelassen um ihn zu begrüßen. Es war so. Und es war doch nicht so, dass es so sein musste. Sie entschied es. Und er spürte, dass es ihm guttat. Das war der Moment, in dem er nach Hause kam, der Moment der Annahme.
Unter normalen Umständen, an einem anderen Tag, da wären sie beide wieder ihren Beschäftigungen nachgegangen, doch diesmal hielt er sie zurück. Erwiderte ihren Blick und ihr Lächeln und schenkte ihr eine Berührung. Ernst lag in seinem Blick.
„Alles in Ordnung?“, fragte sie etwas verunsichert.
„Jetzt, ist alles in Ordnung“, antwortete er, doch der ernste Blick blieb. Und ihre Verunsicherung, als er noch hinzusetzte, dass er nochmals kurz wegmüsste.
Und als er zurückkam, da nötigte er sie, sich neben den Kamin zu setzen, während er ihr ein schmales, silbernes Kettchen um den Hals legte. Vorsichtig tastete sie es ab und spürte es kühl unter ihren Fingern.
„Aber Weihnachten ist doch schon vorbei, und überhaupt, Du weißt, dass Du mir nichts zu schenken brauchst“, erklärte sie.
„Ich weiß, aber ich wollte es“, meinte er, „Und es sollte etwas sein, was nahe bei Dir ist, und doch nicht aufdringlich, nicht künstlich, sondern echt und nahe, so wie Du mir bist.“
Da wandte sie sich zu ihm um und sah ihn an, mit diesem Lächeln, das vor allem in den Augen wohnte, und er wusste, mit einem Mal, dass es das war, was ihn berührte und heilte und ganz werden ließ.

Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten