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Life is too short for boring stories

Nettes Geplauder. Nichtssagend. Letztendlich. Man muss Zeit überbrücken. Bis es beginnt. Langsam wird es Zeit. Die Stimmen werden nach und nach leiser. Das Licht fällt auf die Leinwand. Trägt die Aufforderung auf Erwartung im Gepäck. Ein Film wird kommen. Wir wissen nicht mehr darüber als den Titel. Immer schon haben wir nicht mehr gewusst als den Titel. „Leben“ oder vielleicht sogar „Mein Leben“ ist der Titel. Auch wenn es von Jahr zu Jahr fragwürdiger erscheint, was an diesem Leben wirklich „mein“ ist. Bei einem Film ist es anders. Der hat einen festen Beginn und ein definiertes Ende. Damit kann man umgehen. Auch das Leben hat einen festen Beginn. Alles andere ist vage.

Und während wir da sitzen, den verklungenen Tönen nachhören, die kommenden abwartend, ist nur das Licht auf der leeren Leinwand. Du sitzt neben mir. Ich sitze neben Dir. Es ist nicht die Zeit zu reden. Nachher. Da werden wir über den Film reden, den wir gesehen haben werden. Aber jetzt ist die nackte Leinwand da. Das Leben. Vielleicht „Mein Leben“ mit Titel. Doch, ein Stück weit ist es mein Leben, und ein Stück weit eines, das von Menschen beeinflusst wird, denen ich diesen Einfluss zugestehe. Dir zum Beispiel. Aber nicht nur. Es ist auch kein richtiger Film, sondern eine diffuse Abfolge von Bildern, die ich gerne sehen würde, jetzt, nach dem Film, in einem Jahr, in einem Jahrzehnt.

Ich sehe Dich an meiner Seite. Jetzt sitzen. In einem Jahr. In zehn Jahren. Wir reden miteinander. Über den Film und auch danach. Du nimmst mich in den Arm. Immer noch. Es tut gut. Immer noch. Es hat etwas von der Beständigkeit, nach der ich mich sehne, während alles andere im Fluss bleibt, wie eine Behausung, die mich schützt und mir die Kraft schenkt den Stürmen zu trotzen, die das Leben mit sich bringt, das ein Stück weit sogar meines ist. Automatisch greife ich nach Deiner Hand.

Du siehst mich an Deiner Seite. Jetzt sitzen. Und dann, dass wir aufstehen und hinausgehen. Du gibst mir einen Kuss. Vielleicht einen letzten. Es ist ein Abschied, den Du siehst, denn es macht Dir Angst, dass die Zeit vergeht, und Du noch immer hier sein könntest. Es hat etwas von Vereinnahmung und Stillstand und Tod, das Du vermeiden möchtest. Denn während Du sesshaft wirst, fließt das Leben an Dir vorbei, das Du dann völlig aus der Hand gegeben hast, und das überhaupt nicht mehr Deines ist. Du brauchst die Freiheit und Unverbrauchtheit der Welt, die dort draußen auf Dich wartet und die Dir entgeht, wenn Du bleibst. Es ist die Welt, die ständigen neuen Eindrücke und Erfahrungen, die Dich schützen und Dir Kraft schenken den Stürmen zu trotzen, die in Deinem Inneren toben. Du willst es nicht wissen. Automatisch schiebst Du meine Hand weg.

Alles denken wir für uns, in diesem Moment der Erwartung, in dem die Stille bereits eingekehrt ist, aber das Licht noch die nackte Leinwand erhellt, auf der bald der Film gezeigt werden wird. Ein Moment der Erwartung, in dem wir unser Leben vorwegdenken. Ganz für uns, ohne ein Wort. Wir sehen uns an. Ein letztes Mal bevor der Film beginnt. Für uns wissen wir um unsere Erwartungen. Auch über die nach dem Film. Gemeinsam werden wir sie nicht haben. Sie sind nicht kompatibel.

Der Moment der Erwartung geht vorbei. Auch der Film. Der Kuss zum Abschied wird der letzte sein. Du weißt es. Ich noch nicht, aber ich werde es erfahren. Wie doch die Liebe unterschiedlich sein kann. Oder eben nicht.

Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten

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