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Life is too short for boring stories

So verbrachten Yvonne und Mark die Nacht, Arm in Arm. Angekommen. Mark erwachte als erster und musste sich erst zurechtfinden. War es tatsächlich wahr, dass dieses Mädchen da neben ihm lag, voller Vertrauen und ohne Zweifel? Sacht strich er mit der Hand über ihre Wange, als müsste er sich vergewissern, dass es nicht nur ein Traum war. Da schlug Yvonne die Augen auf und lächelte ihn an, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Rasch drückte sie ihm einen Kuss auf die Lippen. Ein Schauder durchlief seinen Körper und er spürte diesem Gefühl der Verbundenheit noch nach, während sie bereits Pläne schmiedete.
„Was hältst Du davon, wenn wir in die Stadt gehen, ein wenig flanieren und frühstücken? Ich weiß ein tolles Lokal, wo sie das leckerste vegane Frühstück der Stadt haben“, schlug sie vor. Mark hatte bis jetzt nicht viel über seine Ernährung nachgedacht, aber man konnte es doch mal probieren. Angesichts der Agilität, die Yvonne an den Tag legte, begann er daran zu zweifeln, dass Veganer*innen verhärmt, mangelernährt und verbissen waren, wie es immer hieß.

Nach einem längeren Spaziergang kehrten sie in einem netten Café ein und Yvonne bestellte Frühstück für sie beide. Mit offenem Mund konnte Mark beobachten wie Yvonne ihr Essen verschlang, als hätte sie seit drei Tagen nichts gegessen. Zufrieden saßen sie im Sonnenschein.
„Ist Dir schon mal aufgefallen, wie grau es in der Stadt ist?“, fragte Yvonne unvermittelt, „Und mir scheint, das färbt auf die Menschen ab, so trist wie sie dreinschauen.“
„Ein bisschen Farbe wäre sicher nicht schlecht“, stimmte ihr Mark zu, „Und die paar kleinen Blümchen richten nicht viel aus.“
„Das schafft nur die Kruwunkulablume“, erklärte Yvonne beinahe feierlich.
„Kruwunkulablume?“, wiederholte Mark ungläubig und ließ das Wort sacht über seine Zunge rollen. Er hatte nicht viel Ahnung von Botanik, das wusste er, aber wenn er von solch einer Blume schon mal gehört hätte, dann hätte er es sich garantiert gemerkt, so ausgefallen wie der Name war. Yvonne sah ihm seine Verwirrung an und lächelte schelmisch.
„Als Kind war ich sehr viel alleine und so begann ich mir Geschichten auszudenken“, erklärte sie, weil sie ihn nicht länger im Dunklen tappen lassen wollte, „Und in einer dieser Geschichten war jene über die Kruwunkulablume, die über eine bunt schillernde Blüte verfügt und im Regenwald Südamerikas wächst. Diese Blume, mit ihren vielen Blütenblättern, hat natürlich eine besondere Fähigkeit. In ihrem Kelch sammelt sich das Wasser und wenn man damit in Berührung kommt wird man geheilt, egal ob innerlich oder äußerlich. Auch schon der Anblick genügt, um Menschen fröhlicher, versöhnlicher und verständnisvoller zu stimmen. In meiner Geschichte zog ich aus, um diese Blume zu suchen. Natürlich reiste ich mit einem fliegenden Regenschirm.“
„Hast Du sie gefunden?“, hakte Mark ein.
„Natürlich“, sagte Yvonne versonnen, „Meine Geschichten hatten immer ein Happy End. Ich kam bei der Blume an, nahm ein wenig von dem Wasser mit und ließ sie ansonsten unangetastet. Denn sie zeigt sich nur denen, die sie nicht besitzen möchten. Weil sie allen Gutes tun will, allen gleichermaßen. Ich habe dann natürlich noch viele Abenteuer mit meinem fliegenden Regenschirm erlebt. Und weißt Du was, ich werde die Welt ein wenig bunter machen mit der Kruwunkulablume.“ Und noch bevor Mark nachfragen konnte, was sie denn genau damit meinte, war sie auch schon aufgestanden, setzte sich auf das Pflaster neben ihrem Tisch, holte die Straßenkreiden aus ihrer Tasche und begann zu malen. Blütenblatt um Blütenblatt wuchs aus dem Beton, bis tatsächlich eine ausladende, strahlend bunte Blume das ewige Grau unterbrach. Yvonne begutachtete ihr Werk zufrieden, als plötzlich ein Schatten über sie fiel.
„Heans, des kennans ja net machen!“, ertönte eine missgelaunte Stimme über ihr. Yvonne sah an der Gestalt hinauf, die sich breitbeinig vor ihrer Blume und ihr postiert hatte und unschwer an seiner Uniform als Polizist identifiziert werden konnte.
„Sie sehen ja, dass ich kann“, antwortete Yvonne reflexartig, während sie der Amtsperson fest in die Augen sah.
„Das ist Verschmutzung und das kann ich nicht dulden“, erklärte dieser mürrisch, „Wenn das jeder täte.“
„Dann wäre die Welt bunt und die Menschen nicht so übel gelaunt“, konterte Yvonne umgehend.
„Wie schaut denn das aus, wenn jeder im öffentlichen Raum einfach herumschmieren würde, wie es ihm gefällt“, fuhr der Polizist fort.
„Sie sagen es, im öffentlichen Raum“, erwiderte Yvonne, „Sollte dieser nicht auch von der Öffentlichkeit gestaltet werden?“

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