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Life is too short for boring stories

Unvermittelt löste sich Yvonne aus Marks Umarmung und sah ihn an.
„Was hältst Du davon, wenn wir zum Stand zurückgehen und ich Dich den anderen vorstelle. Du wärst eine tolle Stütze für unsere Arbeit, natürlich nur, wenn Du willst“, schlug Yvonne ihm vor.
„Meinst Du?“, fragte Mark und es klang Resignation aus seiner Stimme, „Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich die anderen akzeptieren.“
„Und ich bin mir sicher“, zeigte sich Yvonne überzeugt, um ihn an der Hand und mit sich mitzunehmen. Als sie beim Stand der LLL ankamen, ging Yvonne, ohne dass sie Marks Hand losließ, zum ersten Aktivisten.
„Stefan, darf ich Dir Mark vorstellen“, sagte sie, woraufhin der Angesprochene Mark die Hand reichte.
„Hallo. Schön Dich kennenzulernen“, meinte Stefan, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

„Mark möchte uns unterstützen“, fügte Yvonne nun hinzu.
„Das ist toll. Wir können jede Hilfe gebrauchen. Herzlich willkommen“, erklärte Stefan und Mark kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht einmal gezuckt hatte dieser Aktivist, als er Mark sah. Das war ihm noch sehr selten passiert. Daraufhin lernte er auch Sascha, der aus Russland stammte und aus politischen Gründen das Land verlassen musste, Babette, die wegen ihrer sexuellen Orientierung aus einem islamischen Land geflohen war und Marianne, die im Rollstuhl saß, kennen. Ausnahmslos alle freuten sich, dass er zu ihnen gestoßen war.
„Was kann ich tun?“, fragte Mark, woraufhin ihm Yvonne Flyer in die Hand drückte und lapidar sagte: „Bring die unter die Leute.“ Dann nahm sie das Mikrophon, um die Menschen, die vorbeikamen, auch auf diesem Wege zu informieren. Die Welt schien wie verändert. Natürlich gab es noch immer Menschen, die sich abwandten, aber es waren weitaus weniger, als Mark gewohnt war, schon gar nicht alle. Was war geschehen? Hatte ihn diese Begegnung so sehr verändert?

„So Leute, es ist an der Zeit zusammenzupacken“, erklärte Yvonne unversehens. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Eifrig half Mark auch dabei. Anschließend gingen sie gemeinsam essen und es fühlte sich für ihn an, als hätte er schon immer dazugehört.
„Wie kommt es, dass ihr mich nicht ablehnt?“, fragte Mark unvermittelt.
„Nun zum einen, weil wir wissen wie schwer es ist, anders zu sein“, antwortete Stefan direkt, „Jede*r von uns hat eine leidvolle Geschichte.“
„Es ist nur alles so neu für mich“, gab Mark unumwunden zu.
„Na dann hoffe ich doch, dass Du Dich daran gewöhnen kannst, denn bei uns wird niemand aufgrund seines Aussehens verurteilt“, erklärte Babette, „Und außerdem können wir einen starken Mann gut gebrauchen“, fügte sie augenzwinkernd hinzu.

Nach und nach gingen die Aktivist*innen nach Hause, so dass Yvonne und Mark zurückblieben. Hand in Hand verließen sie das Lokal und traten hinaus in einen warmen Sommerabend.
„Was für ein Glück, dass Du mich entführt hast“, meinte Yvonne lächelnd.
„Es tut mir leid“, sagte Mark zerknirscht, „Ich hätte das nicht tun dürfen, aber ich sah keinen anderen Weg.“
„Ist schon gut. Ich verzeihe Dir“, erklärte sie großmütig, „Aber nur unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“, fragte er, bereit alles zu tun, um es wieder gut zu machen.
„Dass Du mich nochmals hochhebst. Schließlich habe ich das nicht so richtig erlebt, nachdem ich ohnmächtig war“, sagte Yvonne mit einem Augenzwinkern.
„Unbedingt!“, zeigte sich Mark erfreut und hob sie mit Leichtigkeit auf. Er spürte, wie sie ihre Arme um seinen Hals schlang und den Kopf an seine Schulter legte.
„Danke, hier fühle ich mich geborgen“, hörte er sie sagen.
„Und wohin gehen wir jetzt?“, fragte Mark irritiert.
„Ich würde sagen zu Dir“, meinte Yvonne. Entschlossen schritt er vorwärts, seine kostbare Fracht sorgsam hütend. Wenige Minuten später kamen sie in seiner Wohnung an.
„Leg mich aufs Bett und Dich zu mir“, forderte Yvonne ihn auf. Auch diesen Wunsch erfüllte er ihr, „Es ist gut, nicht alleine zu sein.“
„Ja, sehr gut“, gab er ihr recht, „Ich denke, es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich nicht alleine bin.“
„Und nicht mehr einsam“, fügte sie hinzu.
„Nicht mehr unverstanden“, fuhr er fort, und dann schwieg er, weil das Gemeinsam, das sie sich waren, alles sagte, was gesagt werden konnte. Und noch viel mehr.

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2 Gedanken zu “Du bist mehr (5)

  1. oma99 sagt:

    Danke für diese einfühlsame Geschichtg aus dem Leben so vieler Menschen. Wir alle wissen, was dieses Gefühl angenommen zu werden, so einfach ohne wenn und aber, bedeutet. Wir alle, die sich danach sehnen oder es erleben dürfen. Danke nochmals.

    1. novels4utoo sagt:

      Sehr gerne. Es war und ist mir ein großes Anliegen. Freut mich, dass ich es getroffen habe.

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