Es war, dass der Sturm tobte, die ganze Nacht, so sehr, dass die Wände zu erzittern schienen und das Dach sich niederduckte, gegen den Wind, den donnernden Regen. Die Kleinen, Joy, Sunny und Grace, hatten sich noch fester an ihre Mutter gekuschelt, die selbst vor Angst zitterte. Ich hatte mich zu ihnen gelegt, und spürte, dass es ihnen gut tat, als könnte ich, alleine durch meine Anwesenheit, das Unbekannte und Angsteinflößende abwenden und sie davor beschützen. Sie glaubten an mich. So beruhigten sie sich und schliefen. Im Gegensatz zu mir. „Warum“, so fragte ich mich still, „vertrauen sie mir, glauben daran, dass ich sie beschützen kann, wovor auch immer?“ Und irgendwann schlief ich dann auch ein, auf einer Decke am Boden, Hopes warmen Körper neben mir, die Kleinen eingerollt vor ihrem Bauch. Schon im Einschlafen begriffen, erhob sich eine Ahnung, wurde kurz sichtbar, um dann weiterzufließen, eine Ahnung von dem Vertrauen in das Miteinander.
“Erklären, zeigen, auseinandersetzen, zu verstehen geben, attestieren, diagnostizieren, analysieren, synthetisieren“, zählte ich auf, an diesem Tag, den neunten des Advent, als sich der Sturm gelegt und die Wogen geglättet hatten, „Das sind alles Begriffe, die wir gerne verwenden, wenn wir jemandem etwas nahebringen möchten. Es sind wichtige Begriffe. Tatsachen, Fakten, Erkenntnisse, seien sie nun technischer, naturwissenschaftlicher, politischer, sozialer oder sonsteiner Natur, weiterzugeben, zu vermitteln. Also all jene Dinge, die man mit dem Verstand fasst und einordnet, pragmatisch und schlicht. Es geht um das sogenannte Wissen. Wissen, das wir benötigen, vielleicht um unsere Arbeit zu machen, einer Diskussion folgen zu können oder auch nur, um im Fall des Falles, damit angeben zu können. Es hat keine Auswirkungen, keine wirklichen. Es ist so und daran gibt es nichts zu rütteln. Die Erde hat die Form eines Geoids. Sie ist keine Scheibe und die Sonne dreht sich nicht um sie herum, sondern umgekehrt. Ein Apfel fällt zu Boden, auch alles andere, was Gewicht hat. Es schwebt nicht in der Luft. Schallwellen übertragen Laute, bringen meine Worte zu Deinem Ohr. In diesem Zusammenhang sind diese Verben auch passend, weil sie, zumindest signalisieren, dass man sich rein an die Fakten, die Gegebenheiten hält, so weit dies möglich ist. Aber wir verwenden sie nicht nur hier, sondern auch, um jemandem etwas nahezubringen, was man letztlich nicht erklären kann, zumindest nicht wie den Gefrierpunkt von Wasser oder die Reaktionsfähigkeit von Wasserstoff.
Es ist nicht erklärbar, die Lebendigkeit, die durch mich fließt und mich auffordert das Leben anzunehmen, als es selbst. Sicher, die bio-chemischen Vorgänge in meinem Körper, die mich am Leben erhalten, die kann ich erklären, aber nicht, was mich mit diesem Leben versöhnt und es lebendig macht, als ein mehr denn das Schlagen des Herzens, was mir die Sonne strahlen und den Wind im Haar als ein zärtliches Umfangen erscheinen lässt, was mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert, einfach, weil ich da bin und durchatmen kann.
Sie ist nicht erklärbar, so oft, so lange, so intensiv es auch immer versucht wurde, die Liebe. Nicht mit Analysen, Statistiken oder Studien. Es gibt nichts zu erklären, nichts zu analysieren, nichts zu studieren. All das soll an unseren Verstand appellieren, uns vorgaukeln, es wäre so einfach wie eine mathematische Gleichung. Letztlich ist es auch einfach, aber auf eine gänzlich andere Art und Weise. Es ist einfach zu nehmen, zu leben und mit sich selbst auszudrücken. Es ist nicht einfach, wenn man es in eine Form, eine Gleichung, eine Formel pressen möchte. Sie wird sich immer entziehen und flugs mit einem anderen Antlitz erscheinen, weil sie so vielfältig und bunt und umfassend ist, wie das Leben selbst, das wir auch niemals ganz fassen können.“
„Wie das Leben selbst im Werden und Vergehen. ‚Ein Kind wurde uns geboren‘, heißt es, ein Kind, das vorher nicht da war und das plötzlich ist“, sagte Maria sinnend, „Ein Kind, ein Lebewesen, das sich aufmacht eben jenes Leben zu erfüllen, das es einfach hat und mitbringt. Es denkt nicht darüber nach, ganz im Gegenteil, es reißt es an sich, mit aller Urgewalt, mit aller Selbstverständlichkeit, die zeigt, wie völlig unbelastet es von Vorgaben und Meinungen ist. Weil es einfach ist. Es ist dieses Urvertrauen, das keiner Erklärung und keiner Rechtfertigung bedarf. Vertrauen auf sich selbst und auch die Umwelt. Wir nehmen dieses Kind, dieses neue Leben, in die Arme, weil es da ist, hoffentlich, nehmen es an und es vertraut sich dieser Annahme an. Es gibt keine Begründung dafür. Es braucht auch keine, es ist die Begründung selbst. Vertrauen in sich selbst, dass ich mit mir dieses Leben ausfüllen kann, weil ich es kann. Vertrauen in die anderen, dass ich auf- und angenommen bin, weil es ist. Nichts weiter. Ohne Vertrag. Ohne Klausel. Erst später wird dieses Vertrauen hinterfragt, wenn wir auf Menschen treffen, die der Lebendigkeit entgegenarbeiten. Wir sagen, wir werden enttäuscht, hintergangen, verraten, doch die eigentliche Aussage ist, dass dieser Mensch das Leben in seiner Lebendigkeit beschränkt und die Selbstverständlichkeit der Annahme in Ausschluss wandelt.“
„Die Zugewandtheit zum Leben in Form der Liebe zu zelebrieren. Du, als derjenige, den ich damit umfassen kann, der mich umfasst und trägt und hält und schützt. Ich für Dich. Du für mich. Ohne Einschränkung. Ohne Reglementierung. Ohne Vereinnahmung“, fuhr Jesus fort, „Wo ich einschränke, reglementiere, vereinnahme ersticke ich die Liebe. ‚Du gehörst mir‘, sollte es dann heißen. Doch von der Liebe bleibt nichts mehr. Es ist auch der Moment, in dem die Eifersucht zum Tragen kommt. Eifersüchtig verteidige ich meinen Besitz, toten, leeren, hohlen Besitz. Nichts und niemand anderer darf es anrühren, berühren, erweitern. So ersticke ich den anderen, langsam aber sicher, in der Abgeschlossenheit seiner Einzelhaft und damit meine eigene Beziehung.“
„Ich glaube an Dich, ich vertraue auf Dich“, ergänzte ich, „Glauben als eine umfassende Form des Vertrauens. Nicht zu sehen, nicht zu erkennen, nicht zu verstehen, und dennoch zu vertrauen, weil mein Vertrauen im Leben selbst wurzelt. Wurzeln, die so tief gehen, dass sie jedem Sturm des Lebens standhalten können und mich trotzdem tragen. Es kann sein, dass der Sturm einen meiner Äste knickt oder sogar bricht, aber dem Fundament in diesem Glauben, den kann er nicht erreichen, das hält jedem Sturm stand.“
„Es ist schade um diesen Glauben“, meinte Maria sinnend, „weil er als bloßes dummes Nicht-wissen gefordert wird. Glauben wider alles bessere Wissen, wider bessere Erfahrung. ‚Du hast das und das zu glauben‘, wird dann gesagt, auch wenn meine Intuition sagt, das kann ich nicht glauben, das kann nicht richtig sein. Und diese Intuition stellt sich immer ein, so weit wir noch einen gesunden Bezug haben, wenn von uns gefordert wird an etwas zu glauben, was dem Leben widerspricht. Auch in der Kirche und in Deinem Namen geschieht das. Wo gesagt wird, Du sollst daran glauben, dass es Gott richtig findet oder gar von Dir verlangt, dass Du Lebewesen Leid zufügst, dann spürst Du zwar, dass es dem Leben widerspricht, aber wenn Du genug Autoritätshörigkeit hast, wirst Du es glauben, nicht weil Du Vertrauen in das Geforderte hast, sondern, weil Du dem, der es fordert, glaubst. Glaube wider besseres Wissen richtet sich gegen das Leben selbst. Es ist ein Ausdruck desjenigen, der Dich zu dem Werkzeug seiner eigenen Ziele macht. Du bist das Werkzeug. Er dirigiert Dich. So dass Du nach und nach das Leben verlierst, und die Verbundenheit.“
„Kriege, Unterwerfung, Unterdrückung im Namen dessen, der dem Dafürhalten nach, alles Leben geschaffen hat, ist ein Widerspruch in sich. Jeder, der auf seine natürliche Intention hört, ist sich darüber im Klaren“, sagte Jesus, „Kein Gott, der das Leben ist, verlangt dass ein Lebewesen einem anderen Leid zufügt, aus welchem Grund auch immer. Ein Gott, der das Leben ist, wird verlangen es in jeglicher Art und Weise zu schützen. Sei achtsam mit dem Leben. Dann kann auch die Liebe wachsen. Sei achtsam mit der Liebe. Dann kann das Leben wachsen.“
„Wie das Kind in der Krippe, die Botschaft für das Leben und für die Liebe“, fuhr ich fort, „So wäre Weihnachten eigentlich nichts weiter, als das Kind anzunehmen und mit ihm das Leben und die Liebe, sich anrühren und berühren zu lassen. So wie ich Dich annehme und Hope und Joy und Sunny und Grace, weil es ist und weil es sein wird.“
Und am neunten Tag des Advent ward mir die Botschaft von Weihnachten in der sich ergänzenden der Liebe und des Lebens bewusst. Sinn ist, wo Leben ist, auch zu Weihnachten. Ein Anstoß für die Liebe und das Leben. So gesehen, müsste jeden Tag Weihnachten sein, jeder Tag ein Zelebrieren des Lebens und der Liebe.
Adventkalenderbücher

Auf der Suche nach dem Sinn von Weihnachten



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