„30% der Frauen kommen nicht oder nicht regelmäßig zum Höhepunkt“, wird uns in der Werbung erzählt. Das entspricht wohl der Wahrheit. Offenbar wird darin ein Problem gesehen, was es durchaus auch ist, denn erfüllende Sexualität schenkt ein besseres Körpergefühl, steigert die Abwehrkräfte, fördert die Durchblutung, macht glücklich, durch die Ausschüttung diverser Hormone. So weit, so richtig. Und weil wir bei einem Problem nicht stehen bleiben, wird auch sofort eine Lösungsmöglichkeit geboten. Grundsätzlich finde ich lösungsorientierte Ansätze sehr löblich, allerdings nur dann, wenn die Lösung auch eine solche ist, und nicht bloß eine Verschiebung des Problems. Denn es geht schlicht und ergreifend um den Absatz von Vibratoren, denn wirtschaftlich gesehen, kann eine Lösung nur dann eine sein, wenn irgendwer dafür Geld ausgibt. Auch dagegen gäbe es nicht viel zu sagen, wenn nicht die Entmündigung der Frau und die Entwürdigung der weiblichen Sexualität damit verbunden wäre. Genau darauf läuft es aber hinaus, denn damit wird der Frau gesagt, dass sie weder Herrin über ihren Körper, noch über ihre Sexualität ist. „Du kannst das nicht alleine“, wird damit suggeriert, „Du brauchst Hilfe.“ Und diese Hilfe führt zur Entfremdung und zur Abhängigkeit. Dabei ginge es viel einfacher, nur daran verdient niemand.
Mündigkeit ist, frei nach Kant, das Vermögen, sich seines Verstandes ohne Hilfe eines anderen zu bedienen. Frauen stehen heute mitten im Leben, übernehmen Verantwortung und prägen das öffentliche Bild. Sie sind es also gewohnt Probleme zu lösen, sich also ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Sie würden auch zu Recht auf die Barrikaden gehen, würde jemand versuchen ihnen dieses Recht abzusprechen, oder gar – wie es bis in die Mitte des 20. Jhdt. üblich war – ihnen den Verstand generell abzusprechen. Seltsamerweise haben sie damit aber kein Problem, wenn es um die Mündigkeit geht ihren Körper zu kennen und ihm das zu bieten, was er braucht. Doch wie soll ich für etwas von jemand anderen Respekt einfordern, den ich selbst nicht aufbringen kann? Deshalb geht die #MeToo-Aktion letztendlich ins Leere, da der Umgang der anderen mit dem weiblichen Körper nur eine Spiegelung des eigenen Umgangs darstellt. Respekt wiederum kann ich nur vor etwas haben, was ich kenne. Deshalb ist der erste Schritt in Richtung befriedigender Sexualität den eigenen Körper kennenzulernen, ihn zu erkunden und gut zu ihm zu sein. Selbst erfahren, was ich will und brauche. Ich nehme mir Zeit und gehe pfleglich mit mir um, lasse mich treiben, und merke, dass ich nichts weiter brauche als Fantasie und gesunde Finger. Bin ich mir durch den freien, wertschätzenden Umgang mit meinem Körper meiner Selbst bewusst, wird der Auftritt ein anderer sein, so dass es schwerer wird, Opfer zu werden. Die Wertschätzung, die ich mir selbst gegenüber an den Tag lege, kann ich auch von anderen einfordern.
Die Würde der weiblichen Sexualität ist in ihrer selbst begründet. Der weibliche Körper ist ein Wunderwerk an Verbundenheit und Zusammenspiel. Weitverzweigte Nervenbahnen schicken Impulse vom Lebenszentrum, der Vulva, der Vagina zum Gehirn, und umgekehrt. Das Zusammenspiel, so es geschehen darf, zwischen Denken und Fühlen und Kreativität ist ein feines Gespinst, das immerzu pulsiert und webt. Je mehr dieses Zusammenspiel genutzt wird, desto intensiver wird es. So stehen Kreativität und Sexualität im Austausch. Erfüllende Sexualität befördert die Kreativität, und Kreativität befördert erfüllende Sexualität. Dahinter steckt ein zutiefst personaler Vorgang, der Verstehen und achtsamen Umgang voraussetzt.
Die Würde der weiblichen Sexualität, die Mündigkeit der Frau in ihrem Liebesleben kann nur erreicht werden, wo ich mich mit mir und meinem Körper aussöhne, ihn annehme und erkenne, erforsche und liebevoll erkunde. Ich stehe für mich selbst ein, als ganze Person. Dann wird auch mein Sexualleben ein erfülltes sein. Mehr braucht es nicht, und schon gar nicht den Dreck, der uns verkauft wird.
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danke.