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Life is too short for boring stories

Lautstarkes Hupen ließ Sebastian aufschrecken. Wo war er? Was war los? Warum war es so laut in seinem Kopf? Da erst merkte er, dass das Hupen nicht aus seinem Kopf kam, sondern von ungeduldigen Fahrern hinter ihm verursacht wurde. Als wenn es tatsächlich eine Rolle spielte, ob man die Ampel bei dieser Grünphase oder bei irgendeiner anderen überqueren würde. Er entschied sich dafür sich auf keine Diskussion diesbezüglich einzulassen, denn für die, die hinter ihm standen, schien es tatsächlich eine Rolle zu spielen, denn das Hupen hatte mittlerweile etwas von Ingrimm, der ihn dazu verleitete nicht nur den Kopf einzuziehen, sondern auch umgehend den Fuß aufs Gaspedal zu stellen, um ihn jedoch sofort wieder wegzunehmen, denn die Grünphase war endgültig vorüber. Er beschloss aufmerksamer zu sein, auch wenn es ihm verdammt schwerfiel. Dabei hatte er den besten Grund der Welt unaufmerksam zu sein. Nur wer würde das verstehen, wenn es ihm doch selbst schwerfiel.

„Nimmst Du mich mit?“, fragte Sandy, die Arme lässig auf dem Rahmen des Fensters der Beifahrertüre gestützt, während sie den Rücken durchstreckte und kokett mit dem Popo wackelte. Sie hatte am Straßenrand gestanden und den Daumen in die Luft gestreckt. Normalerweise ließ er Anhalterinnen links liegen. Nicht, weil er nicht hilfsbereit gewesen wäre, ganz im Gegenteil, aber es gab immer mehr Geschichten darüber wie junge Mädchen diese Situation ausnutzten. Das ging angeblich bis zu Erpressung, aber als er sie da so stehen sah, in ihrem kurzen Sommerröckchen, dem engen Top da konnte er nicht anders. Er war schließlich auch nur ein Mann. Eigentlich, so war nun eine andere Stimme in seinem Inneren zu vernehmen, sollte er sie warnen. So hübsch wie sie war, mit ihren braunen Ringellöckchen und den glasklaren grünen Augen, sprühend vor Lebensfreude und Neugierde, musste sie sich vor älteren Männern in Acht nehmen. Vor Männern wie ihm, wie er sofort dazusetzte. Das war die pädagogische Stimme in ihm, die fürsorgliche, aber sie war viel leiser als die andere. Deshalb fragte er stattdessen, „Wo magst denn hin?“

„Dorthin, wo Du hinfährst“, war ihre knappe Antwort, und schon saß sie im Wagen.
„Du weißt ja gar nicht wo ich hinfahre“, erwiderte er stirnrunzelnd, auch wenn es in diesem Moment ziemlich egal war wohin er fahren würde.
„Aber wir wohnen doch ganz nahe beieinander. Du warst mein Trainer vor, na ja, das ist lange her“, erklärte sie, was seine Verwirrung noch mehr steigerte. Es stimmte schon, er hatte mal die Handballmannschaft trainiert, aber das war mindestens, ja wie lange her, und dann nur für kurze Zeit. Er sah sie nochmals genauer an, um Züge des Kindes in ihrem Gesicht zu finden, das er damals gekannt hatte, aber es war vergeblich.
„Ich bin Sandy“, half sie ihm auf die Sprünge. Geduld mit älteren Herren war wohl noch nie ihre Stärke gewesen, schoss es ihm durch den Kopf, da sich langsam der Nebel lichtete und er sich endlich zu erinnern begann, „Hast Du mich denn wirklich nicht erkannt?“
„Hör mal, das ist mindestens …“, versuchte er die Zeit irgendwie auf die Gerade zu bekommen, als sie ihn unterbrach,
„… acht Jahre her, und nicht mindestens, sondern genau.“
„Ja, acht Jahre, und Du meinst im Ernst, dass ich Dich so mir nichts Dir nichts wiedererkenne“, meinte er amüsiert, „Du musst schon zugeben, dass Du Dich sehr verändert hast.“
„Das kann schon sein, aber dafür habe ich Dich sofort wiedererkannt, auch das Auto. Selbst das ist das gleiche wie damals“, erwiderte sie lächelnd.
„Kunststück, um die 40 verändert man sich nicht mehr allzu viel, junge Dame, und damit Du es weißt, ich hänge an meinem Auto“, erklärte er, angestrengt darum bemüht so viel Nachdruck wie möglich in seine Stimme zu legen.
„Man soll sein Herz nicht an Dinge hängen“, sagte sie nur kurz.
„Jetzt erinnere ich mich ganz genau, Du warst schon damals so vorlaut“, rügte er, was nicht ganz so gelang, wie er es beabsichtigt hatte, „Aber dann weiß ich wenigstens wo Du wohnst.“
„Meinst Du denn, ich wäre einfach so zu einem fremden Mann ins Auto gestiegen“, erklärte sie, „Das kann ganz schön gefährlich sein.“
„Ja, eigentlich schon“, musste er zugeben.

Und als er mit dem Wagen vor dem Haus hielt, in dem sie wohnte, da drückte sie ihm, ohne jede Vorwarnung, einen Kuss auf die Wange, „Was meinst Du, kommst Du am Samstag zum Spiel?“ Sprachs und sprang aus dem Wagen, ohne eine Antwort abzuwarten. Als wenn er eine Wahl gehabt hätte.

Aus: Weibliche Ohn-machten

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