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Life is too short for boring stories

13. Vorstellung und Zusage

 

Ruhe der Gelassenheit. Ruhe der Verheißung. Hände in Tätigkeit. Gedanken in Ausgewogenheit. Fast schon Idylle. Eigentlich schon Idylle. Lilith schreibend. Ruben schnitzend. Und das Leben brandete vorbei an dem leeren Geschäft, das nun nicht mehr ganz so leer war und in seiner Art schon eine kleine Geschichte zu erzählen hatte. Geschichte, die Lilith schrieb. So wie das leere Geschäft, das vielleicht auch wieder leer sein würde, eine Zukunft haben würde, aller Voraussicht nach, die Ruben mit seiner Schnitzerei vorbereitete. Keine Verabredung. Keine Berechnung. Da sein. Miteinander. Das Stück Vertrautheit nicht messend, sondern mitten drinnen sein. Als die Idylle zerriss. Als Ruben, wohl nachdrücklicher als gewollt, sein Schnitzwerk auf den Tisch knallte. Als Lilith, wohl intensiver als gewollt, das Schreibheft seufzend von sich schob. Und die Idylle einen Riss bekam.

„Das wird einfach nicht so wie ich mir das vorstelle!“, erklärte Ruben, weil er wusste, dass nun eine Erklärung von ihm verlangt wurde. Gut, dass er eine hatte.

„Und ich weiß nicht wie es weitergeht“, meinte Lilith, die sich in der selben Vorstellung befand, dass eine Erklärung immer notwendig ist. Besser man liefert sie gleich mit.

„Wie meinst Du das?“, fragte Ruben, der doch gesehen hatte, dass sie schrieb, auch wenn er nicht wusste was.

„Und wie meinst Du das?“, fragte Lilith, die doch gesehen hatte, dass er schnitzte, auch wenn sie nicht wusste woran er konkret arbeitete.

„Ich bin heute morgen mit einer Vorstellung erwacht. Da war ein Bild in meinem Kopf“, begann Ruben freimütig zu erklären, „Es war das Bild eines Engels. Und da war ich mir sicher, so würde ich den Engel schnitzen, Du weißt schon, den, der extra für die persönliche Betreuung des kleinen Jesuskindes abgestellt war. Das kann natürlich kein gewöhnlicher Engel sein, sondern ein ganz besonderer, aber der will jetzt einfach nicht so werden, wie ich das will. Der will sich dem Bild, das ich mir von ihm gemacht habe, noch nicht einmal annähern.“

„Und da wunderst Du Dich, dass es nichts wird?“, fragte Lilith, als hätte sie die Lösung des Problems schon in der Tasche.

„Ja, das wundert mich!“, erklärte Ruben, und es klang tatsächlich überzeugt. So wie die Menschen oft meinen von etwas überzeugt zu sein, und damit die eigentliche Ordnung der Dinge nicht sehen. Es steht ihnen schlicht ihre eigene Vorstellung im Weg.

„Ich mache es doch immer so“, fuhr er ungerührt fort, „Ich habe eine Vorstellung, und die setze ich um. Immer funktioniert es. Nur bei diesem Engel, der noch dazu etwas ganz Besonderes hätte werden sollen, bei dem will und will es nicht gelingen.“

„Versuch doch mal genauer hinzusehen. Stimmt das wirklich? Gehst Du wirklich mit einer ganz genauen, konkreten Vorstellung an Deine Arbeit heran oder ist es nicht eher so, dass Du wohl weißt was es werden soll, doch die genauen Details erst im Zuge des Machens erscheinen.“

 

Und weil Ruben zugehört hatte, weil er verstand, was sie ihm sagen wollte, nahm er in aller Ruhe seinen Engel, oder das Stück Holz, in dem sich noch ein Engel versteckte, der aber noch nicht sichtbar war, zur Hand. Ruhig lag das darin, das ein Versprechen war, das etwas in sich trug, was eine Gestalt war, die er sah, aber sonst noch niemand. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass diese Vorstellung nicht einzuholen war, wenn er sich nicht auch zusprechen ließ.

 

„Da ist ein Engel in meiner Hand, oder das, was als Engel noch werden soll. Es ist darinnen“, sagte Ruben, „Er ist meine Vorstellung, aber es ist auch ein Zusprechen. Die Vorstellung und das was darin liegt verbinde ich. Ein Teil kommt von mir. Ein Teil aus sich selbst. Das ist das Geheimnis des Gelingens. Die Verbindung.“

„Und um Dir das zusprechen zu lassen, um eine Verbindung zu erreichen, bedarf es Geduld“, erklärte Lilith überzeugt, „Das kannst Du nicht zwingen. Weder mit einem Muss, noch mit übertriebenen Aktivismus. Es kommt. Du kannst es nur erwarten.“

„Du hast recht, Geduld, ist das Zauberwort“, gab Ruben unumwunden zu, „Geduld mit mir selbst und mit dem Werdenden, dem Gegenüber, dem Leben. Nicht alles kommt aus mir. So vieles ist ein Geschenk, das sich mir zuspricht, wenn es an der Zeit ist.“

„Geduld, bis der rechte Moment gekommen ist“, fügte Lilith hinzu, was nichts mehr bedeutete, als eine Bestätigung, dass sie verstand.

„Aber was ist mit Deiner Vorstellung? Was ist mit dem, was Du geschrieben hast?“, fragte nun Ruben seinerseits, „Was hat Dich veranlasst das Begonnene von Dir wegzuschieben?“

„Ich habe begonnen die Geschichte des leeren Geschäftes aufzuschreiben“, begann nun Lilith zu erklären, „Ich habe mich so gefreut, oder ich freue mich immer noch, dass es endlich wieder eine Geschichte gibt, die es wert ist, aufgeschrieben zu werden. So dass sie mir nicht verloren geht, und ich darf ein Teil dieser Geschichte sein. Bis hierher habe ich geschrieben. Aber wie geht es weiter? Werde ich hier wirklich eine Heimat finden, Begegnungen und Leben, oder wird wieder alles ganz anders werden? Was wird sein, bis Weihnachten, nach Weihnachten? Ich möchte so gerne weiterschreiben, aber so vieles kann passieren. Zu oft habe ich erlebt, dass von einem auf den anderen Tag alles anders sein kann. Auch wenn ich das gar nicht will. Auch wenn es mit mir nichts zu tun hat. Man ist immer so abhängig. Von den Umständen. Von den anderen. Von was auch immer.“

„Und so würdest Du gerne das Leben, die Zukunft nach Deinen Vorstellungen zurechtschnitzen?“, fragte Ruben seinerseits.

„Nach meiner Vorstellung?“, erwiderte Lilith, „Aber man muss doch an die Zukunft denken. Man muss doch wissen was kommt.“

„Nein, das muss man nicht“, erklärte Ruben, nun seinerseits überzeugt, „Was die Zukunft bringt, davon können wir träumen, wir können hoffen oder und auch nur eine Vorstellung machen. Das an sich ist kein Problem, so lange Du darüber nicht vergisst, dass es nichts weiter ist als eine Vorstellung. Und da gibt es noch das, was sich uns zuspricht. Nicht nur in dem Stück Holz in meiner Hand, sondern in dem, was unser Leben ist, das was wird und worauf wir gespannt sein dürfen. Aber bleiben sollten wir im Moment. Alles wird kommen, wenn es an der Zeit ist. Dafür braucht es Geduld.“

„Es wird alles kommen, wenn die Zeit reif ist“, sagte Lilith nachdenklich.

„Es wird alles kommen, wenn wir reif dafür sind“, ergänzte Ruben offen und zugewandt.

„Für den Moment“, meinte Lilith.

„Und das Miteinander“, fügte Ruben hinzu.

 

Und sie dachten an den Blumentopf, in dem der Same in der Erde ruhte. Warten auf die Wurzeln, warten auf das Leben, das kommt, wenn es Zeit ist zu kommen. Als Zeichen auch für die Geduld, doch der stand schon in der Auslage, so dass an diesem Abend nichts hinzugefügt werden musste. Manches ist einfach schon da. Und wir sehen es auch, wenn wir es sehen wollen.

Hier gehts zu Teil 14

Adventkalenderbücher

Auf der Suche nach dem Sinn von Weihnachten

Das gewebte Bild

Das leere Geschäft

Der Pilgerweg

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