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Life is too short for boring stories

„Kommt zum Essen“, unterbrachen Constantia und Cordula Kral, Konrads Schwestern, die immer im Doppelpack auftraten, die Erzählung, die er in diesem Moment begonnen hatte. Die Zwillingsschwestern hatten beide den Beruf der Krankenschwester ergriffen und einem Drittorden beigetreten, was bedeutete, dass sie mitten in der Welt wie Nonnen lebten, mit allem was dazugehörte, wie Gelübde und Gottes- und Nächstenliebe und Ehelosigkeit. Konrad sah zu ihnen auf, während die Kinder zum Esstisch stürmten, zeigte aber keinerlei Ambition aufzustehen.
„Du auch Konrad“, meinte Constantia streng, „Und mach nicht ein solches Gesicht. Du vermiest uns noch den ganzen Abend. Dabei feiern wir heute ein großes Fest.“
„Das der Geburt unseres Herrn“, setzte Cordula überflüssiger Weise hinzu.
„Mir ist aber ganz und gar nicht nach Feiern zumute“, meinte Konrad.
„Wie man nur so egoistisch sein kann“, erwiderte Constantia kopfschüttelnd, „Du solltest froh und dankbar sein, dass der Herr so gnädig zu Dir war. Dass Du überhaupt eine Frau gefunden hast.“

„Seid ihr eigentlich zu den anvertrauten Patient*innen auch so freundlich“, fragte Konrad nachdenklich.
„Natürlich, wenn sie so ohne Glauben sind wie Du und den Herrn versuchen“, meinte nun Cordula, „Außerdem gibt es Menschen, denen es so viel schlechter geht als Dir, die nicht jammern.“
„Danke für Eure Anteilnahme“, erwiderte Konrad knapp.
„Komm zum Essen oder lass es“, erklärte Constantia schnippisch, woraufhin sich beide umwandten und den Raum verließen. Konrad blieb und sah gedankenverloren den leeren Sitz neben sich an.
„Weißt Du, Klara“, sprach er hinein in die Leere, „Ich weiß nicht, wie ich das ohne Dich ertragen soll. Es war immer schon schlimm, aber so lange Du da warst, war es mir egal. Warum nur hast Du mich allein gelassen?“
„Das frage ich mich auch unentwegt“, ließ ihn eine sanfte, weiche, leise Stimme hochschrecken. Er hatte nicht bemerkt, dass sich ihm jemand genähert hatte, so vertieft war er in seine Trauer gewesen, die offenbar nicht verstehen konnte oder wollte. Langsam hob er den Blick. Vor ihm stand ein junges Mädchen, das ganz in schwarz gekleidet war. Dünn und schmächtig schien sie, mit blassen Gesichtszügen und dunklen Augen. Endlich ging ein Erinnern, ein Erkennen durch seinen Kopf.
„Bist Du nicht Magdalena, die Tochter von Verena?“, fragte er, obwohl er sich sicher war, die Tochter seiner Schwester Verena.
„Ja, die bin ich und das ist meine Tochter“, ergänzte Magdalena, „Ihr Vater Sebastian ist vor zwei Monaten bei einem Unfall gestorben. Tante Constantia und Tante Cordula meinten …“
„Lass mich raten, dass Du viel zu jung warst und dass das nun die gerechte Strafe war?“, sagte Konrad mit einem grimmigen Unterton.
„Ja, das haben sie“, erwiderte Magdalena, „Aber ist man denn zu jung um glücklich zu sein?“
„Nein, ist man nicht. Aber wahrscheinlich wissen sie nicht, was das ist und gestehen es auch niemand anderem zu“, konstatierte Konrad.
„Sebastian, fehlt mir so schrecklich und niemand scheint mir zuzuhören“, sagte Magdalena.
„Genauso wie mir. Ich fühle mich auch so einsam, ohne meine Frau“, meinte Konrad, „Ich weiß, was Du meinst. Aber Du hast die Kleine. Wie heißt sie eigentlich?“
„Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, aber ich habe sie Klara genannt, weil Du der Einzige war, der sich je um mich gekümmert hat, vor allem, wenn ich traurig war“, erklärte sie schüchtern.
„Nein, ich freue mich darüber. Es ist, als würde sie ein wenig präsenter sein“, meinte Konrad, „Ist das der Grund, warum Du die letzten Jahre nicht dabei warst, weil Du Dich fehl am Platz fühltest?“
„Ja, es war mir immer, als würde ich stören, nicht dazu passen, zu all der künstlichen Heiterkeit und verlogenen Freundlichkeit“, stimmte ihm Magdalena zu.
„Weißt Du was? Wir gehen zu mir nach Hause und machen uns einen ruhigen Abend, gemeinsam“, schlug Konrad vor.

Und das taten sie auch. Von diesem Tag an unterstützte Konrad Magdalena wo er nur konnte, denn es war nicht leicht für sie, denn sie musste arbeiten gehen, um das Leben mit ihrer Tochter zu finanzieren. Aber auch für Konrad war es eine Hilfe, denn er hatte nun wieder eine Aufgabe, die er mit Freuden erfüllte und einen Menschen, der ihn verstand.

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