„Aber ist Ihnen das Funkeln in ihren Augen aufgefallen, als Lea Lew erzählte, dass er erben würde?“, fügte Helga Unterhuber hinzu, „Gut, dass wir sie näher unter die Lupe …“ In dem Moment bezeigte der Hauptkommissar seiner Kollegin, still zu sein, denn es waren Stimmen zu vernehmen. „Was meinst Du Lew, wollen wir heiraten?“, hörten sie Lea vorschlagen, „Dann könnten wir das Anwesen verkaufen und in meinem Haus wohnen. Du könntest Dir mit dem Geld eine eigene Firma aufbauen und ich würde Dich in allem unterstützen?“ „Das klingt wunderbar“, erwiderte Lew freudestrahlend und wollte Lea in die Arme schließen, doch diese wehrte ab. „Ich muss jetzt gehen“, meinte diese.
Vor der Türe wurde sie von Hauptkommissar Kowalczyk und seiner Kollegin Unterhuber in Empfang genommen. „Ich denke, wir sollten uns noch unterhalten“, meinte letztere und sie führten die Frau in ein anderes Besprechungszimmer. „Wissen Sie, was interessant ist an diesem Fall?“, fragte der Hauptkommissar, nachdem sie Platz genommen hatten. „Nein, aber Sie werden es mir sicher gleich verraten“, meinte Lea, sichtlich irritiert. „Dass Lew Ponomarjow den idealen Täter abgibt, viel zu ideal. Das macht mich natürlich misstrauisch. Deshalb haben wir uns ein wenig in Ihrer Vergangenheit umgesehen. Spannend ist die Parallele zwischen dem Tod der Gräfin und Ihres Vaters. Eine Frau greift zum Spaten und erschlägt ihren Mann. Warum sollte nicht hier eine Frau zum Spaten gegriffen haben und die Gräfin ins Jenseits befördert haben?“ „Sie verdächtigen doch nicht etwa mich!“, entfuhr es Lea unwillkürlich, „Warum sollte ich sowas tun? Und was meine Mutter betrifft, das war Notwehr.“ „Notwehr? Tatsächlich?“, mischte sich nun Frau Unterhuber ins Gespräch ein, „Jemanden von hinten mit dem Spaten zu malträtieren, der gemütlich in einem Sessel sitzt, kann wohl kaum als Notwehr bezeichnet werden.“ „Doch, es war Notwehr, quasi im übertragenen Sinn“, meinte Lea, „Mein Vater hat sehr gut verdient mit seiner Firma. Aber er hat dennoch meine Mutter finanziell an der kurzen Leine gehalten und ihr nichts gegönnt. Sie hat sich nur geholt, was ihr zusteht.“ „Ich denke eher, Ihr Vater hat die Notbremse gezogen, nachdem Ihre Mutter dem Kaufwahn verfallen war“, warf der Hauptkommissar ein. „Na und? Das stand ihr alles zu“, konterte Lea postwendend. „Sicher nicht, ihn zu ruinieren. Aber es geht noch weiter mit den seltsamen Todesfällen in ihrem unmittelbaren Umfeld. Ihre Großmutter verstarb passender Weise an Ihrem 18. Geburtstag und auch hier wurde als Motiv Gier unterstellt. Leider konnten wir Ihnen nichts nachweisen, aber das wird im Fall der Gräfin Smirnowa umso leichter sein.“ „Tatsächlich, wie sollte ich es gemacht haben?“, meinte Lea. „Sie haben sich ins Haus geschlichen und das Gespräch zwischen Lew und der Gräfin belauscht. Sicherheitshalber haben sie den Spaten mitgenommen, den Lew tatsächlich neben der Türe abgestellt hatte“, sagte der Hauptkommissar, „Ich nehme an, es war nicht geplant. Sie wollten nur wissen, ob die Gräfin ihm jetzt endlich verraten würde, dass er geerbt hatte, was sie schon längst wussten. Und eben, weil sie es nicht erzählte, haben Sie sie erschlagen. Sie wussten genau, dass wir nicht so blöd sein würden, Lew für den Mörder zu halten. Damit sind wir auch beim Motiv, Habgier. Wir haben herausgefunden, dass Sie seit dem Tod ihrer Großmutter nur vom Erbe gelebt haben und noch keinen einzigen Tag gearbeitet haben. Doch auch ein Erbe geht irgendwann zur Neige. Mit Lew hat sich für Sie ein Ausweg aufgetan, um weiterhin nicht zu arbeiten, aber trotzdem ein angenehmes, finanziell sorgenfreies Leben führen zu können.“ „Das müssen Sie mir erst einmal beweisen“, erwiderte Lea entspannt. „Nichts leichter als das“, meinte der Hauptkommissar, „Wir haben Kleidung mit Blut der Gräfin gefunden und Ihre Fingerabdrücke auf dem Spaten.“ „Das kann nicht sein“, zeigte sich Lea entrüstet, „Ich habe Handschuhe getragen.“ „Danke dafür“, meinte Kommissarin Unterhuber, „Das war sehr aussagekräftig.“
Einige Zeit später wurde Lew entlassen, doch er war alles andere als glücklich, denn mit einem Schlag hatte er nicht nur seine mütterliche Freundin und Gönnerin verloren, sondern auch die Frau, von der er meinte, sie hätte ihn geliebt und er sie. Wieder stand er ganz alleine da, so wie er gekommen war, nur ein wenig reicher.
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Ungezähmt. Anleitung zum Widerstand


Der Weg ist das Ziel ist der Weg


Alles ganz normal! Geschichten aus dem Leben
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