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Life is too short for boring stories

בהתחלה ברא אלוהים
Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.
Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal.
Finsternis über Urwirbels Antlitz
Braus Gottes schwingend über dem Antlitz des Wassers. (Gen. 1,1)

Im Anfang,
nicht am Anfang,
denn Gott schuf die Erde mit der Zeit,
die Zeit der Bestimmtheit,
Zeit als Kontinuum,
als Abfolge,
als Befolgung,
als Gradmesser
und Verpflichtung.

Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal.
Deshalb machte Gott Ordnung,
zersprengte das Chaos
zugunsten der Geordnetheit.
Alles an seinem Platz.
Den Himmel nach oben,
die Erde nach unten.
Die Sonne und den Mond und die Sterne an den Himmel,
die Pflanzen und Tiere auf die Erde.
Das Wasser ins Meer,
die Erde an Land,
die Tiere inclusive,
die, die ins Wasser gehörten,
die, die ans Land gehörten
und die, die in die Luft gehörten.

Vom ersten Tag an
darauf zu sinnen,
dass nichts irgendwo sei,
wo es nicht hingehört.
Du dort und Du dort und Du dort.
Und ich da.

Gott als der Überwinder des Chaos
und Beherrscher der Ordnung.
Der große Übervater.
Festschreibung des Patriarchats
des Zimmer-Zusammenräum-Aufpassers.
Wer wagte da zu widersprechen?
Natur ist weiblich, ist Chaos.
Irrsal und Wirrsal
Da bedarf es einer starken, patriarchalen Hand.
Herr zu werden
zu sein
zu bleiben.
Alles an seinem Platz.
Chaos schafft Verwirrung.
Verwirrung bringt Durcheinander.
Klare Strukturen helfen.
Machen Leben möglich.

Im Anfang war Ich.
Aber nicht wie es sein sollte.
Ich, individuiert, atomisiert,
das ist Ordnung.
Aber im Anfang,
in meinem Anfang,
da war ich dividuiert, holistisch.
Ich kam zur Welt
und fühlte mich ganzheitlich.
Dem Leben verbunden,
dem Himmel und der Erde.
Ich war Irrsal und Wirrsal.
Finsternis über Urwirbels Antlitz.

Das durfte nicht sein.
An den Platz gewiesen,
der fürderhin meiner sein sollte.
Mein Platz, mein Ausblick,
und was ich zu sehen bekam,
das war die Welt,
meine Welt,
die gutbürgerliche, konservative, mitteleuropäische Welt
mit ihren Werten.
Platons Höhlenmenschen sahen Schatten.
Ich sehe bunte Bilder.
Immer wieder dieselben.
Vom Erstrebenswerten.
Vom Lebensinhalt.
Vom Sinnvollen.
Haben ist erstrebenswert.
Haben ist Lebensinhalt.
Haben ist sinnvoll.
Und sobald ich gelernt hatte,
meinen Platz nicht zu verlassen,
kam das Rad, das Rad des Lebens.
Und ich war ein braves Mädchen.
Vertrieben waren Irrsal und Wirrsal
und das Licht der Wohlanständigkeit
erhellte mein Antlitz.

Autonom kam ich zur Welt,
begabt mit der Eigengesetzlichkeit.
Liebend und zugewandt und offen.
Dann wurde mir gesagt,
wie und wen und wann ich zu lieben hatte,
mich zuwenden, öffnen durfte.
Viel Zeit und Energie wird darauf verwandt
mir die Selbstgesetzlichkeit der Liebe und Strukturlosigkeit
auszutreiben,
zu ersetzen
durch die Gesetze der Struktur und der Herrschaft.
Das nennt sich Erziehung.
Zum Wohle der Menschen,
wird gesagt.

Doch eigentlich dient es dazu,
Strukturen einzutrichtern.
Wert- und Moralvorstellungen weiterzugeben,
zu lernen,
was man zu tun hat und was nicht,
was sich gehört und was nicht.
Es darf nicht hinterfragt werden.
Es wird nicht hinterfragt, zumeist.
Abrichtung zum Pawlowschen Menschen.
Internalisierung der Spielregeln,
so lange zu wiederholen,
bis sie integriert sind,
so sehr,
dass es keines äußeren Reizes mehr bedarf.
Man nennt es Über-Ich.
Über-Vater.
Gott.
Wächter der Sitten und der Ordnung,
der Heteronomie,
der Fremdgesetzlichkeit.

Wehe,
wenn mir einfiele
wieder auf diese Stimme in meinem Inneren zu hören,
die mir vielleicht sogar sagt,
dass das gesatzte Recht dem Leben widerspricht.
Wehe einer Gesellschaft,
die nicht hindern kann,
dass zu viele sich besinnen,
des Gesetzes des Lebens.

Ich kam zur Welt
und fühlte mich ganzheitlich.
Ich kam in die Gesellschaft
und fühlte mich atomisiert.
Ein einzelnes, winziges Teilchen an seinem Platz.
Hineingesetzt in das Rad des Lebens.
Schule für die Ausbildung.
Beruf für das Auskommen.
Ruhestand für das Ausruhen.
Ausbildung, um einen Beruf zu erhaschen,
bei dem man Geld verdient,
Geld verdienen, um zu konsumieren,
konsumieren, um zu besitzen,
zu beweisen, dass man gut ist,
dass man etwas leistet, tut.
Geschäftig sein mit Dingen,
die mit mir nichts zu tun haben.

Als Ausgleich die Freizeit.
Sport, um gut auszusehen.
Kultur, um mitreden zu können,
doch es gibt nichts,
was mich berührt.
Im Kreis des Lebens
gibt es keine Berührung,
sondern nur vorwärts.

Der Kreislauf eines Lebens,
das Leben im Kreis zu laufen.

Von der Geburt bis zum Tod,
die Menschen in Geschäftigkeit zu halten.
Anständige Menschen stehen in der Früh auf.
Wird gesagt.
Anständige Menschen stehen in der Früh auf,
weil sie zur Arbeit gehen.
Sie wissen,
dass sie anständige Menschen sind,
weil sie in der Früh aufstehen
und einer Arbeit nachgehen.
Nach der Arbeit gehen sie einkaufen,
oder Shoppen, wie man sagt,
weil sie als anständige Menschen Geld verdienen
und shoppen gehen können.
Dann kommen sie nach Hause,
werfen die geshoppten Sachen zu den anderen,
die sie genauso überflüssig gekauft haben,
um am Abend müde zu sein
vom Arbeiten und Shoppen,
denn anständige Menschen sind müde,
vor allem vom Anständig-sein.

Anständige Menschen gehen die ganze Woche arbeiten,
von Montag bis Freitag,
um sich am Wochenende zu regenerieren.
Vielleicht mit noch mehr Shoppen.
Oder mit Sport, immer mit Leistungscharakter.
Oder mit Fortgehen, wie es heißt,
fressen und saufen,
in sich hineinstopfen was geht,
aber vor allem müssen sie sich regenerieren
vom Anständig-sein.

Anständige Menschen halten das durch,
Woche um Woche,
Monat um Monat,
Jahr um Jahr,
Nur unterbrochen
durch Urlaub und Weihnachten.
Dem Fest, zu dem die meisten Menschen ermordet werden.
In aller Anständigkeit

Um der arbeits-shopping-freizeit Anständigkeit
entsprechen zu können
muss man Dinge machen,
viele, viele Dinge.

Ressourcen generieren,
um Dinge zu produzieren,
produzierte Dinge zu konsumieren,
konsumierte Dinge an seinen Platz zu stellen,
an seinen Platz gestellte Dinge abstauben,
wahlweise Gassi führen oder benutzen,
abgestaubte, Gassi geführte, benutzte Dinge wegschmeißen,
weggeschmissene Dinge vergessen,
vergessene Dinge ersetzen durch konsumieren,
und wiederum werden Ressourcen generiert,
damit die neuen Dinge produziert werden können.
Immer schneller

Der Kreislauf des Habens,
im Kreis zu laufen,
gleich Hungernden,
die in sich schlingen,
ohne je satt zu werden,
eine innere Leere zu füllen,
die mit Dingen nicht zu füllen ist.
Und doch scheint es keinen anderen Weg zu geben,
keine andere Möglichkeit,
egal ob Lebloses oder Lebendiges.

2 Gedanken zu “Im Hamsterrad des Lebens

  1. oma99 sagt:

    Die Ordnung des Menschen – von Gott? hergeleitete Macht des Patriarchats.
    Die Ordnung des Menschen – lebensverneinend und vernichtend.
    Die Ordnung des Menschen – Chaos der fürchterlichsten Art erzeugend.
    Gott oder Göttin erschuf die Erde und das Leben, doch was schuf Gott oder Göttin?
    Der Ursprung des Lebens liegt genau dort und nirgendwo anders.
    Der Ursprung des Lebens hat eine eigene Ordnung – den Kreislauf des Lebens, die Entwicklung der Zukunft im Leben.
    Im Leben an den Wurzeln des Ursprung, zu dem es immer wieder neu beginnt.
    Nicht im Patriachat,
    nicht in der Ordnung des Menschen,
    nicht in der Schöpfung von Gott oder Göttin!
    aber immer im Ursprung des Seins!
    ——————————————
    Dies hat Dein Text gerade aus mir heraussprudeln lassen, Danke dafür!

    1. novels4utoo sagt:

      Das freut mich sehr. Wieder einmal treffsicher auf den Punkt gebracht. Danke Dir!

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