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Life is too short for boring stories

Zu Anfang, da denkst Du noch, das spielt alles keine Rolle. Zu Anfang, da bist Du so euphorisch und endorphingeschwängert, dass Du meinst, dass das alles nichts ausmachst.

Du bist eine Frühaufsteherin, eine Morgenanbeterin, die der erste Sonnenstrahl so auffordernd in der Nase kitzelt, dass Du nicht anders kannst, als frohgemut aus dem Bett zu hüpfen um den neuen Tag zu begrüßen, während ich mir, verschlafen und griesgrämig, die Decke ganz fest über den Kopf ziehe und den ganzen verfluchten Firlefanz, die Sonnenstrahlen, das Vogelgezwitscher, diese losgelöste Heiterkeit verwünsche. Natürlich ist es schön, wenn Du heiter und fröhlich, ausgeglichen und gut gelaunt bist, aber warum denn bloß um diese Zeit, zu der ich mich noch einmal umdrehe und in Ruhe schlafen möchte. Natürlich mag ich es, wenn Du mich in den Arm nimmst, mich anlachst und mir Dich mitteilst, aber jetzt, zu dieser frühen Morgenstunde, ist es wie ein Affront, lässt es in mir eine Wut aufsteigen, die ich nicht zeigen darf, weil ich ja eigentlich froh bin, dass Du da bist, froh, dass Du mir bist, aber jetzt, jetzt will ich verdammt nochmal in Ruhe schlafen.

Meine Zeit ist der Abend. Da werde ich eloquent und kreativ und mitreißend. Der süße, schwere Duft des Abends, der sich ankündigenden Nacht versetzt mich in Entzücken und ich möchte Dich mitnehmen in diese Freude, dieses Heiterkeit und Ausgeglichenheit, doch da wirst Du müde, ziehst Dich zurück und verstehst so ganz und gar nicht, dass ich Dich einfordere, zu einer Zeit, zu der jeder normale Mensch, wie Du es bezeichnest, sein Tagewerk bereits getan hat und sich langsam anschickt, ruhig und müde zu werden. Du kannst nicht nachvollziehen, dass ich jetzt tatendrängig und fordernd bin. Ich bestürme Dich mit meinem Lebenshunger, mit meiner Energie, die stetig höher steigt, desto mehr die Sonne sinkt. Lass Dich ansehen, Dich berühren, Dich mitnehmen in mein Offenwerden, in mein Zuwenden, lass uns heiter und vergnügt und redend sein. Doch Du verziehst nur misstrauisch die Augenbrauen, und ich weiß, diese kleinen Falten zwischen Deinen Augen signalisieren, dass Du auch dies alles schätzt, aber nicht um diese Zeit. Morgen früh, ja, morgen früh, da würde es Dir passen.

Zu Anfang, da denkst Du noch, das spielt keine Rolle. Da hast Du noch genug Kraft über Deinen Schatten hinwegzuspringen, Dich zu überwinden und Dich mal an den Rhythmus des anderen anzunähern. Aber es kostet so viel Kraft.

Und mit der Zeit werden die Stunden, die wir miteinander verbringen, immer weniger. In der Früh schlafe ich, wenn Du da wärst. Tagsüber gehen wir unseren Beschäftigungen nach, außer Haus zumeist, getrennt. Am Abend, wenn ich munter bin, schläfst Du, und nach und nach suchen wir uns andere Beschäftigungen. Längst schon haben wir es aufgegeben den anderen auf die andere Seite ziehen zu wollen. Und mit der Zeit, ganz allmählich, geben wir uns auf, weil da nichts mehr ist, nichts Gemeinsames und nichts Verbindendes, nichts Haltendes und nichts Werdendes. Mit der Zeit werden wir uns fremd, denn unser Takt schlägt dem anderen entgegen und wir verstehen nicht mehr, dass es das geben konnte, den Anfang, voller Euphorie und Freude. Aber es muss ihn gegeben haben, nachdem wir jetzt das Ende erreichten.

Und wir können nichts dafür. Es macht keinen Sinn sich Vorwürfe zu machen. Es ist, auch wenn es schmerzt, Chronos, der uns scheidet.

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