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Life is too short for boring stories

Du wandtest Dich mir zu, als Du weitersprachst, in jener Vollmondnacht, wo wir den Regen endlich hinter uns gelassen hatten.

„Ich zitterte vor Kälte und Anspannung. Nun wusste ich alles, alles, was ich nicht wissen durfte. ‚Nun wirst Du sterben und das, was Du gehört hast, wird für immer in Vergessenheit geraten’, sagte meine Tante Morgana, ‚Ernst, Du weißt was Du zu tun hast.’ Langsam ging er auf mich zu. Es hatte wohl keinen Sinn mich zu wehren. Ich hatte Mochridhe gerettet. Das war wohl alles, was ich noch bewirken konnte. Ich dachte an meine Eltern und meine Brüder, sah in Gedanken unser Haus, und versuchte Abschied zu nehmen. Ich wollte mich in mein Schicksal fügen. Noch einmal, doch zum ersten Mal ruhig und gelassen, sah ich dem Feuer zu, das alles, was ich geliebt hatte, vernichtete.

Diesmal war ich nur Zuschauerin, und die Gestalt, die in der Mitte stand, die das Feuer zu dirigieren schien, ich sah ihr zu, sah wie sie sich drehte, die Arme erhoben, und jetzt, jetzt endlich sah ich auch ihr Gesicht. ‚Du warst es, Du hast das Feuer gelegt’, erkannte ich. ‚Ja, das habe ich, und auch dafür musst Du sterben. Du siehst, ich kann Dich unmöglich weiterleben lassen’, sagte Tante Morgana ruhig. ‚Du hast sie immer schon gehasst, Deine Schwester, und missgönntest ihr ihr Glück, doch sie hatte etwas erfahren, was sie nicht erfahren durfte, das was ich auch weiß’, warf ich ihr vor, und ich hatte wohl ins Schwarze getroffen, als ich mich aufgehoben fühlte. Doch es waren keine menschlichen Arme, sondern tierische Krallen. Sanft setzten sie mich am Boden ab, die beiden Raben. ‚Du hast es geschafft’, hörte ich den einen Raben in meinem Kopf. Dann flogen sie davon. Ich erwachte, in einem fremden Bett. Meine Kehle fühlte sich ausgebrannt an. Jetzt fiel mir ein, ich war im Haus meiner Freundin, doch statt meinen Durst zu stillen, lief ich so schnell wie möglich nach Hause. Ich sah gerade noch, dass eine dunkle Gestalt das Haus betrat. ‚Seit wann kannst Du gehen, Tante Morgana?’, fuhr ich sie an. ‚Es genügt mein Geist um Unheil zu stiften’, entgegnete diese, doch weiter kam sie nicht, denn da waren zwei Raben und zwei Wölfe, die sie schnappten und mit sich nahmen. Sie würden fortan unser Haus beschützen, doch ich hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen, nachdem ich meine Familie in Sicherheit wusste. So schnell es ging fuhr ich hinaus zum Wald und lief zur Burg, doch zu meinem Schrecken musste ich sehen, dass die Burg zerfallen war. Ob sie alle Bewohner unter sich begraben hatte? Verzweifelt begann ich einen Namen zu rufen, den Namen des Einzigen, der aus dieser Burg gerettet werden durfte.  ‚ Mochridhe’, durchbrach ich die Stille der Nacht, doch ich bekam keine Antwort, als ich ein leises Schluchzen vernahm. Er saß neben den Trümmern, immer noch mit der Maske. ‚Alles, alles kaputt’, hörte ich ihn sagen. ‚Nein, Du bist von Deiner Schuld befreit und wohl auch Deine Eltern von sich selbst’, entgegnete ich, und nahm ihm vorsichtig die Maske ab, ‚Willst Du mit mir kommen und bei uns bleiben?’ ‚Ja, das will ich’, entgegnete er fest und langsam ging ich den Weg zurück, versöhnt, denn jetzt ging ich ihn nicht mehr alleine.’

Damit schlosst Du Deine Erzählung, und wir setzten uns ins Zimmer zum Kamin, denn nun brauchtest Du das Feuer nicht mehr zu fürchten, jetzt brauchtest Du nicht mehr vor den Bildern in Deinem Kopf zu fliehen. Manchmal bekommen wir wirklich eine zweite Chance. Nicht allzu oft, aber es passiert, und dann haben wir die Pflicht sie zu nutzen.

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