Und Du lagst neben mir und erzähltest von den Ereignissen jener entscheidenden Nacht.
„Den nächsten Tag verbrachte ich alleine. Mochridhe hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Er wollte nachdenken. Vielleicht hatte er Hoffnung, dass es nicht sein könnte, was ich dachte, doch es war alles passend und stimmig. Doch für ihn bedeutete es eine Schuld ab- und jemand anderen aufzuladen, die ihm sehr nahe stand, von der er bis jetzt gemeint hatte, dass sie nur das Beste für ihn und ihn schützen wollte. ‚Ich bin überzeugt, dass sie mich rufen lässt, sobald sie erfährt was sich zwischen uns ereignet hat. Halte Dich nahe am Kamin, ich werde Dir ein Zeichen geben. Vielleicht kannst Du unser Gespräch mit anhören’, hatte ich ihm zum Abschied nahegelegt. Die letzte Nacht hatte mich so aufgewühlt, dass ich den ganzen nächsten Tag verschlief. Als mich mein Onkel weckte war es bereits stockdunkel.
‚Jetzt kannst Du zeigen ob Du standhaft bist oder nicht’, sprach der Rabe in meinem Kopf, und unten im Wald neben dem Turm hörte ich die Wölfe. Ihr Heulen klang nach Trost und Sorge. ‚Das werde ich’, entgegnete ich wildentschlossen der Stimme des Raben in meinem Kopf. ‚Morrigan, Deine Tante wünscht Dich zu sehen’, sagte mein Onkel kurz und bedeutete mir, ihm zu folgen. Er führte mich in das Zimmer, in das ich geführt worden war, am Tage meiner Ankunft, und dessen Kamin direkt in den Turm führte, wie ich hoffte. Sogleich stellte ich mich neben diesen. Es kostete mich Überwindung mich nur hinzustellen, denn es brannte ein Feuer darin. Ich vermied es hinzusehen, doch die Wärme kroch hämisch an mir hinauf, doch ich hatte keine Wahl, Mochridhe musste dieses Gespräch mitanhören. Sonst würde er es niemals glauben. So nahm ich den Schürhaken und ließ ihn fallen. Hoffentlich hatte er es gehört, dort oben im Turm. ‚Guten Abend, Tante Morgana’, begann ich, ‚Du wolltest mich sprechen?’ ‚Wie mir zu Ohren kam hast Du meinen armen, unglücklichen Sohn kennengelernt?’, fragte sie, doch es war bloß eine rhetorische Frage, denn sie wusste natürlich Bescheid. ‚Ja, das habe ich’, gab ich dennoch zurück, ‚Und er gehört wohl zu den liebenswürdigsten und liebenswertesten Menschen, die ich kenne.’ ‚Das mag Dir so erscheinen, doch er wird Dich niemals lieben, niemals so wie Du ihn. Er wird Dich einwickeln, einnehmen und Dich dann wegwerfen wie einen nassen Socken, denn Du bist seiner nicht würdig. Vielleicht weiß er es jetzt noch nicht, denn Du wirst Dich schon so präsentiert haben, dass er auf Dich hereinfällt, dass er der Hoffnung verfallen ist, Du meintest es ernst und ehrlich mit ihm, doch ich, ich weiß es besser. Ihr kleinen Huren, sucht doch nur Euer Vergnügen, wollt einen schönen, reichen Mann an eurer Seite, den ihr ausnehmen könnt, doch das lasse ich nicht zu. Keine von euch ist gut genug für ihn’, warf sie mir ungeschützt an den Kopf. ‚Wieso willst Du das wissen? Kennst Du mich oder irgendeines der Mädchen, die Du mit Deiner Gier Deinen Sohn zu behalten, in den Tod oder in den Wahnsinn getrieben hat?’, entgegnete ich gelassen, ‚Nein, Du kennst keine, denn Dein einziges Interesse gilt dem Deinen Sohn nicht teilen, nicht hergeben zu müssen. Deshalb und nur deshalb ist keine gut genug für ihn. Du trägst die Schuld an deren Tod oder Wahnsinn, und doch hast Du diese Schuld Mochridhe eingeredet, so lange, bis er sich entschloss sich dort oben in dem Turm einsperren zu lassen, gequält von Trauer und Schmerz. Die Trauer wird bleiben, aber wenn er erfährt, dass Du die Schuld trägst, so kann er frei und offen weiterleben. Er wird Dich hassen, sobald ich ihm davon erzähle.’ Ihr Gesicht verzerrte sich vor blinder Wut: ‚Niemals wird mein Sohn ein Wort erfahren von unserem Gespräch, und selbst wenn, er wird Dir niemals Glauben schenken, denn ich bin seine Mutter und Du nur ein dahergelaufenes Miststück.’ ‚Dann sage ich Dir, es ist nicht notwendig, denn er hat bereits alles gehört, als würde er mit uns im Zimmer sein, hier durch den Kamin’, gab ich trocken zurück. Das letzte was ich sah war, dass Morgana den Schürhaken nahm und auf mich einschlug. Dann wurde ich ohnmächtig.“
Du hieltst inne, und ich verstand, dass es nicht leicht war davon zu erzählen. Ich ließ die Stille zu.