Prasselnd und schwer fiel er auf den Steg, der Regen. Ich schlug vor, dass wir uns unter die Trauerweide setzten, zumindest das. Sie war einverstanden.
„Ein leises Klopfen weckte mich. Der Kopf schmerzte und der Rücken, doch meine Neugierde war größer als der Schmerz, so blieb ich sitzen und lauschte. Kam noch ein Klopfen, oder hatte ich es mir nur eingebildet? Nein, da war es nochmals. ‚Mochridhe’, sagte ich zaghaft, ‚Bist Du da? Kannst Du mit mir reden?’ ‚Ja, ich bin da. Mein Vater hat die Nacht bei mir verbracht. Es scheint, als fliehe er meine Mutter, doch jetzt bin ich wieder alleine.’ ‚Dann sag mir welchen Ausweg es gibt!’, bat ich. ‚Du erinnerst Dich an das Gedicht, das sie sagte, immer wieder, das Mädchen, das sich vom Turm stürzte?
Mein Herz war meins
bis zu dem Tag
da ich Dich sah.
Jetzt ist es Deins
weiß nicht woran es lag
was mir geschah.’,
fragte er, und es schien ausweichend. ‚Ja, ich erinnere mich’, gab ich ungeduldig zurück. ‚Es könnte noch weitergehen, so in etwa:
Doch findest Du in Eins
ein Herz, das nicht erlag
ist die Erlösung nah.
Darin liegt der Schlüssel, die Erlösung und auch die Gefahr’, setzte er kryptisch hinzu. ‚Wenn ich es recht verstehe, so musst Du nur ein Mädchen finden, das Dir nicht erliegt, sondern es zu einem wahren Miteinander kommt?’, fragte ich vorsichtig. ‚Du hast es verstanden. Ich wusste, Du würdest es verstehen, von Anfang an’, sagte er leise, als wäre es nicht wahr, sondern nur ein Satz, den er so lange eingeübt hatte für den Fall, dass er ihn je würde sagen können, obwohl er die Hoffnung schon aufgegeben hatte. ‚Niemals darf man die Hoffnung aufgeben’, preschte ich vor, als da wieder das Bild war, das brennende Haus, und ich mir eingestehen musste, dass es doch einen Punkt gab, an dem man alle Hoffnung fahren lassen musste, weil da nichts mehr war als Tod und Ende, doch das behielt ich für mich, denn schließlich galt es auch nur für mich. Nach wie vor dachte ich, dass es doch nicht so schwer sein könne jemanden zu finden, der seiner Schönheit nicht hilflos ausgeliefert war, als mir ein Gedanke kam: ‚Ich möchte es probieren. Ich möchte sehen, ob ich der Ausweg für Dich sein kann.’ ‚Nein, das lasse ich nicht zu!’, erwiderte Mochridhe entschieden, ‚Du bist seit so unendlich langer Zeit der erste Mensch, mit dem ich reden kann. Ich will Dich nicht gleich wieder verlieren.’ ‚Aber warum? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dort oben bleiben? Was habe ich denn schon zu verlieren? Meine Familie ist tot. Wäre es nicht schön ihnen folgen zu können, nachdem ich doch noch glückliche Momente verbringen durfte? Letztlich kann ich nur gewinnen, zumindest meine Erlösung, aber es kann auch sein, dass wir uns beide erlösen’, versuchte ich zu bedenken zu geben. ‚Lass mich darüber nachdenken’, erklärte er, und schien nun auch ein wenig Hoffnung zu schöpfen, ‚Sag mir nur das eine noch: Wie war Deine Begegnung mit meiner Mutter?’ ‚Nicht sehr spektakulär. Ich fühlte mich jedoch nicht angezogen von ihr, eher wurde mir kalt in ihrer Nähe’, antwortete ich wahrheitsgemäß. ‚Das ist ein gutes Zeichen’, sagte er langsam, offenbar jedes Wort abwägend, ‚Dennoch, lass Dir Zeit. Fürs Verderben ist es immer noch früh genug, ebenso wie für die Erlösung. Du musst Dir der möglichen Konsequenzen bewusst sein, sonst lasse ich mich gar nicht erst darauf ein. Ich will niemandem mehr Schmerz zufügen.’ ‚Meinst Du, es gäbe auf dieser Welt irgendeinen Schmerz, der größer wäre als der, den ich tagtäglich aufs Neue durchleide?’, fragte ich spöttisch. ‚Doch den gibt es’, erklärte er trocken. ‚Dann möchte ich ihn erleben, dass er den ersten tilgt’, gab ich zurück, und ich hörte, wie er aufstand und sich vom Kamin entfernte.“
Hattest Du es nicht bemerkt, es hatte zu regnen aufgehört, nur die Luft roch noch immer nach Regen. Du warst zu spät gegangen.
Man kann nicht aufhören, scheint mir, jede Folge so schnell wie es geht zu lesen. zumindest geht es mir so und ich bin darin gefangen und doch völlig frei, denn mein Herz und mein Kopf spinnen den Faden immer weiter – voller Hoffnung und voller Sorge etwas falsch wahrzunehmen. Wie in meinem eigenen Leben. Nur ist in meinem Leben eine tiefe Sicherheit.
Sicherheit auf Gemeinsamkeit und ein gutes Miteinander, wie auch immer dieses ausfallen wird.