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Life is too short for boring stories

“Die Premiere war wirklich beeindruckend. Die Skizzierung der Charaktere, die in diesem Stück eine besonders große Rolle spielt …”, konnte ich gerade noch zu einer mir bekannten Regisseurin sagen, als eine gewisse Dame, die mir bereits von anderen Veranstaltungen in besonders angenehmer Erinnerung war, plötzlich und nachhaltig einwarf,

“War nicht letzte Woche Premiere von Deinem neuen Stück?”, was nicht nur besagte, dass sie nicht dort gewesen war, was für die Regisseurin sowohl ein Kompliment als auch eine Freude bedeutete, sondern dass sie nicht merkte, dass sie gerade in ein Gespräch gebunden war. Diese Bindung kappte jene Dame mit ungewöhnlicher Anmut, indem sie sich dazwischen stellte, so dass auch der Blick aufeinander versperrt war. Automatisch trat ich einen Schritt zurück, so dass ich ihr das Feld überließ und beschloss mich vorerst auf einen Beobachtungsposten zu begeben, zumal selbst dies auf der Party dieses Freundes immer interessant war. Dabei blieb mir nicht verborgen, dass jene Dame sich noch zwei weitere Male in derselben Weise hervortat, bevor sie sich unversehens an meine Seite stellte, lächelnd, weil sie vielleicht nicht anders konnte, aber das ist und bleibt reine Spekulation. Jenseits jeglicher Spekulation bleibt jedoch, dass ich sie niemals anders als besonders aufgedreht und mit diesem gänzlich unaufgesetzten Lächeln gesehen hatte, was natürlich nicht bedeutet, dass sie nicht anders konnte. Nur, dass ich es nicht wusste und weder bestätigen noch dementieren kann.

“Der Gastgeber ist doch Dein Freund?”, begann sie ohne Un-, pardon, Umschweife nun mich mit ihrer Zuwendung zu beglücken.

“Er ist nicht mein Freund”, erklärte ich in jener Ruhe, in der ich gewohnt war meinen Kindern etwas zu erklären, als sie ungefähr fünf waren, was sich in der Pubertät streckenweise wiederholte, “Sondern ein Freund, wenn auch – zugegebenermaßen – ein sehr guter.”

“Dann kannst Du mir sicher weiterhelfen”, fuhr sie fort, und ich hatte nicht die Absicht sie zu unterbrechen, “Er ist ja so charmant und weiß zu jedem etwas Positives zu sagen.”

“Wie meinst Du das?”, fragte ich nun doch, weil es mir eben so herausgerutscht war. Wie oft ich doch schon meine gute Erziehung verflucht hatte, aber es war zwecklos, sie saß einfach zu tief in mir. Niemand kann sich selbst entkommen. Auch ich nicht.

“Nun, wenn Du das so beobachtest, da weiß er um eine Beförderung oder einen anderen Erfolg, dort von einem persönlichen Ereignis. Jedenfalls, jedem und jeder kommt er entgegen, als würde er sich für ihr Leben interessieren”, erklärte sie, woraufhin ich mich wiederum bemüßigt fühlte, entgegenzuhalten.

“Nicht, als würde er, er tut es wirklich”, stellte ich fest und richtig.

“Und da habe ich mir die Frage gestellt”, sprach sie unbeirrt und unbeirrbar weiter, “Was ist, wenn jemand da ist, über den es absolut nichts zu sagen gibt.”

“Nein, das gibt es nicht!”, wehrte ich ganz entschieden und heftig ab.

“Stell Dir vor, es gäbe jemanden, der so nichtig und nichtssagend, und dessen Leben so ereignislos und trivial ist, dass es nichts zu sagen gibt”, blieb sie hartnäckig.

“Das will ich mir gar nicht erst vorstellen!”, entschied ich ebenso eindeutig.

“Vorstellen tut ja nicht weh”, meinte sie dennoch.

“Du meinst ein solch gesellschaftliches Nackerpatzl, ein solch hilfloses Geschöpf, dass es absolut nichts und nicht einmal das zu sagen gibt?”, wollte ich nun doch wissen.

“Genau!”, bestätigte sie.

“Und was ist mit solch einer Person?”, fragte ich weiter.

“Was sagt er zu dieser Person?”, ergänzte sie.

“Frau oder Mann?”, wollte ich noch wissen.

“Frau”, antwortete sie.

“Nun, ich denke, er würde ihr sagen, sie sei hübsch”, mutmaßte ich, als der Gastgeber höchstpersönlich zu uns kam. Zunächst begrüßte er meine Gesprächspartnerin.

“Schön, dass Du gekommen bist”, meinte er lächelnd, als er ihr die Hand reichte.

“Ich freue mich auch hier zu sein”, erwiderte sie, während sie ihn gespannt musterte.

“Du siehst heute Abend ganz besonders hübsch aus”, fuhr er fort, woraufhin seine Gesprächspartnerin so rot anlief, dass ich unwillkürlich an einen Krebs denken musste, den man lebend in heißes Wasser geworfen hatte und mit fliehenden Fahnen den Ort des Geschehens verließ. Schweigend sahen wir ihr nach, woraufhin er sich an mich wandte.

“Kann es sein, dass Du ein klein wenig bösartig bist?”, fragte er mich, mich aufmerksam musternd.

“So lange Du mir nicht sagst, dass ich hübsch bin, ist alles in Ordnung”, gab ich zurück. Stirnrunzelnd sah er mich an.

“Du bist vieles, aber hübsch bist Du nicht”, bestätigte er, woraufhin er mich in den Arm und mit sich mitnahm, “Und jetzt wollen wir die Party genießen.” Was blieb mir anderes übrig, als folgsam zu sein.

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