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Life is too short for boring stories

Martinique und Christian gingen den Fluss entlang. Die Schneekristalle glitzerten. Die Sonne war wie eine Verheißung. Unvermittelt nahm sie seine Hand. Er wusste was sie meinte. Es tat gut ein wenig Abstand zu gewinnen. Nicht, dass die Dinge, die sie während der letzten Tage gehört, gesehen und miterlitten hatten, sich verleugnen ließen, dass sie nicht immer in irgendeiner Weise präsent waren, aber durchatmen und Kraft tanken, nur ein wenig, war das Ziel. Man kann hinter eine einmal gemachte Erfahrung nicht mehr zurück. Die Unschuld lässt sich nicht mehr zurückholen. Wer das Paradies verlässt, kann keinen Weg mehr zurück finden. Oder er kann es nicht mehr sehen. Kindern schreibt man es zu, zu sehen. Wer weiß ob das wirklich so ist. Unvermittelt blieb Martinique stehen. Christian sah zunächst zu ihr, und folgte dann mit dem Blick der Richtung, in die sich ihrer bewegt hatte. Ein kleines Mädchen stand am Ufer des Flusses neben einem großen, breitschultrigen Mann. Wahrscheinlich war es ihr Vater.

„Was tun die beiden da?“, fragte Martinique, die den Sinn nicht erkennen konnte, denn es ist wohl für die wenigsten kleinen Mädchen ein Vergnügen am Flussufer zu stehen und aufs Wasser hinauszublicken.

„Siehst Du es denn nicht?“, fragte Christian, und es klang ein wenig amüsiert, denn während Martinique noch daran dachte, dass Vater und Tochter, traut vereint nebeneinanderstanden und das Wasser, den Schnee, die Landschaft, was auch immer, genossen, hatte er es längst erkannt. Aber als der Mann mit einer raschen Bewegung die Schnur einrollte, die bis dahin ruhig im Wasser gelegen hatte, begriff endlich auch Martinique was vor sich ging. Wenige Sekunden später hielt der Mann einen wild zappelnden Fisch in der Hand. Rasch legte er diesen auf den Boden, entfernte den Haken aus dem Maul, öffnete mit einem präzisen Schnitt den Bauch und holte die Eingeweide heraus, die er zurück ins Wasser warf. Das Mädchen stand neben ihm und sah ihm zu. War das tatsächlich wahr? Martinique würde so gerne aufwachen, aber sie war bereits wach. Unabänderlich. Das war das Leben und sie hatte gerade wieder einmal mitangesehen, wie ein Tier dem anderen ohne besonderen Grund, ohne Notwendigkeit, das Leben nahm.

 

„Hast Du den Fisch jetzt tot gemacht?“, hörte Martinique die Stimme des Mädchens.

„Ja natürlich, mein Schatz, das gehört so, wenn man angeln geht“, erklärte der Mann, der wohl tatsächlich der Vater war.

„Du hast mir gesagt, es würde Spaß machen“, erklärte das Mädchen entschieden, „Du hast mir nicht gesagt, dass Fische tot machen dazugehört. Und ich glaube auch nicht, dass es ein Spaß ist.“

„Aber wir haben jetzt ein leckeres Mittagessen“, meinte der Vater, und es klang nach einer sehr schwachen Erklärung.

„Wir können uns auch was im Geschäft kaufen. Wir müssen niemanden tot machen“, sagte das Mädchen, die ihren Blick nicht von dem leblosen Wesen abwenden konnte, das nun endlich zu zucken aufgehört hatte.

„Aber die Fische sterben sowieso irgendwann. Dann ist es doch nicht so schlimm, wenn wir auch was davon haben“, versuchte der Vater einen neuen Anlauf.

„Vielleicht war das auch ein Papa, und jetzt sind die Mama und die Kinder ganz alleine im Wasser und vermissen ihn“, sagte das Mädchen, „Und er hatte gerade so viel Spaß mit Schwimmen und Spielen. Dann kommst Du und nimmst ihm einfach das Leben weg. Du bist ein Mörder.“ Sprachs, drehte sich um, ging davon, und ließ den verdutzten Vater einfach stehen, ihn und sein Opfer.

„Aber der Fisch fühlt doch gar nichts“, meinte der Vater noch, aber da war die Kleine schon weg.

O-Fisch4

„Wenn man es genau betrachtet, so hatte der Fisch doch ein glückliches Leben und einen schnellen Tod“, sagte nun Christian.

„Stell Dir vor, Dir wird ein Haken durch die Mundschleimhäute, die Wange getrieben, anschließend in ein Element gezogen, in dem Du verzweifelt versuchst zu atmen, aber es geht nicht und zuletzt wird Dir bei vollem Bewusstsein der Bauch aufgeschlitzt und die Gedärme herausgeholt“, erwiderte Martinique trocken.

„Aber das war doch ein Fisch. Du willst doch nicht allen Ernstes behaupten, dass Du einen Fisch und einen Menschen gleichstellen willst“, erwiderte Christian.

„Er empfindet den Schmerz, wie wir und er will leben, wie wir“, entgegnete Martinique, „Wo ist der wirkliche Unterschied?“

„Aber deshalb ist er doch kein Mörder. Das haben die Menschen schon immer so gemacht, sonst hätten sie nicht überleben können“, sagte Christian.

„Wer jemand anderen gewaltsam um sein Leben bringt, ist ein Mörder“, sagte Martinique lapidar, „Die Gründe mögen besser oder schlechter sein, aber das Ergebnis ist das Gleiche. Es ist ein Leben, das leben will, so wie wir Leben sind, die leben wollen.“

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