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Life is too short for boring stories

erwachte auch die Natur zu neuer Blüte. Vielleicht war es nur ein Zufall, oder auch nicht. Es spielt keine Rolle, vor allem, weil wir aus derselben fielen. Rollen, Masken, Vorstellungen von uns selbst, denen wir entsprechen oder auch nicht, von denen wir eine Ahnung haben oder auch nicht, die wir uns selbst gegeben haben oder auch nicht. Aber es lag eine Verheißung in der Luft, wie wohl des Öfteren, doch an diesem Tag des Erwachens, auch der Natur, blieb sie nicht nur liegen, sondern holte uns ein. Und dabei wollte ich doch eigentlich bleiben wo ich war, in meinem Dornröschenschlaf.

Ich hatte mich nicht entschieden weder für das eine noch für das andere, bloß mich eingefunden. Danach, damit es noch irgendwie nach eigenem Willen aussah, selbst wenn ich es besser wusste, eventuell mir eingestand, tat ich so als ob es eine Entscheidung gewesen wäre. Für mich. Als ich am Arm genommen und der Finger an der Spindel gestochen wurde, da sagte ich, ich hätte mich hinbewegt und gestochen. Aber erst, als ich merkte, dass es so weit war und ich mich im tiefen Schlaf befand. Traumwandlerisch in einem Leben, dem ich nicht mehr angehörte. Ausgehöhlt. Rückzug in die Verborgenheit. Hinterher ist es immer leicht, eine Version zurecht zu zimmern, die einem eine bewusste Tat vorgaukelt, auch für mich selbst. Vor allem für mich selbst. Bis zu dem Tag, an dem eine Verheißung in der Luft lag, am Tag des Erwachens, auch der Natur, an dem sie nicht nur liegen blieb, sondern uns einholte. Und dabei fühlte ich mich gerade so stark in der Unberührbarkeit.

 

Ich hatte mich eingerichtet, in dem, was mein Lebenshaus war. Darin gab es eine klare Trennung. Die öffentlichen Räume, die zugänglich waren, ja, die ich bewusst aufschloss, die ein Bild von mir repräsentierten, das ich mit Sorgfalt gemalt und liebevoll ausgestaltet hatte. Mitten im Traum eine Kunstfigur. Stark und aufrecht, unerschütterlich und unberechenbar. Bis hierher und nicht weiter, war die unmissverständliche Botschaft. Dahinter erst lagen die Räume, die ich sorgfältig verschlossen hielt, und in die ich mich zurückzog, wenn ich mich unsichtbar machen wollte. Niemand dürfte dort hinein, denn es hätte mich in Frage gestellt und das Bild zerstört, an dem ich so lange gefeilt hatte und an dem ich so hing, weil ich keine Alternative sah. Doch an diesem Tag, an dem eine Verheißung in der Luft lag, am Tag des Erwachens, auch der Natur, an dem sie nicht nur liegen blieb, sondern uns einholte, da sahst Du mich an, und das Verborgene öffnete sich ganz von selbst, so dass Du mich sahst, wie ich war.

 

Ich hatte es nicht vorausgesehen, doch es war geschehen. Du sahst Dich um. Es gefiel Dir, was Du sahst, in aller Lauterkeit und Natürlichkeit, ohne jede Verstellung oder Künstlichkeit. Die Masken waren gefallen. Und ich entdeckte, dass Du mich mir selbst näherbrachtest. Auch, dass es nicht weh tat. Nicht mehr. Vielleicht hatte es auch nie weh getan. Aber allein die Möglichkeit hatte mich abgeschreckt. Doch Du meintest, dass das noch nicht alles war, dass es noch mehr gäbe. Verborgen hinter einer dichten Rosenhecke, die über die Jahre gewachsen war, die so stark war, dass ihr selbst das schärfste Schwert nichts anhaben könnte. Doch Du berührtest sie, mit der Hand, so wie Du mich berührt hattest, so dass in mir etwas aufbrach, so dass die Hecke verschwand und eine Türe freigab, von der ich nichts mehr wusste, von der ich nichts wissen wollte. Doch an diesem Tag, an dem eine Verheißung in der Luft lag, am Tag des Erwachens, auch der Natur, an dem sie nicht nur liegen blieb, sondern uns einholte, da hieltst Du den Schlüssel in der Hand, der zu dieser Türe passte, den ich schon längst verloren glaubte, so dass ich die Scherben wiederfand, die ich war.

 

Ich hatte mich nicht entschieden in Schlaf zu verfallen und die Hecke wachsen zu lassen. Bloß hinterher behauptet, zu meinem eigenen Schutz, zum Schutz vor mir selbst. Ich sah mich verloren in diesem Schlaf, als Du mich in den Arm nahmst, so dass unsere Lippen sich fanden, zu einer Einheit, zu einer Ganzheit, in die Du mich erwecktest. An diesem Tag.

Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten

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