Inspiriert von Kieran Halpin „Talking’s Over Rated“
„Wie lange es wohl her ist?“, fragte ich Dich, an jenem Abend, an dem es wieder so weit war. Immer zwischen dem letzten Mal und diesmal. Immer ist es so.
„Du fragst zu viel“, antwortetest Du kurz.
„Aber es wäre doch wichtig zu wissen wie viel Zeit vergangen ist, seitdem“, insistierte ich.
„Wozu ist es gut, das zu wissen? Was hast Du davon?“, fragtest Du entsprechend.
„Nun, dann kannst Du mir erzählen was in der Zwischenzeit passiert ist, all die Dinge, die ich nicht weiß, und ich kann Dir erzählen was bei mir passiert ist. Ich muss wissen wie weit ich zurückdenken muß, damit wir auf dem Laufenden sind. Willst Du es denn nicht wissen?“, versuchte ich zu erklären.
„Nur das eine will ich wissen, nur das eine ist für mich von Bedeutung. Nicht was Du getan oder nicht getan hast, sondern ob es Momente gab, in denen Du berührt, angerührt wurdest, Momente, die Dich beförderten, die Dich in Deinem Wachsen und Werden unterstützten, die Dir die Möglichkeit gaben Dich zu erweitern. Nicht was Du warst, will ich wissen, sondern was Du bist. Nicht irgendetwas interessiert mich, sondern Du“, setztest Du mir auseinander.
„Aber dafür muss ich Dir doch erzählen, von dieser Zeit, die mich vom letzten Mal in dieses Mal führte?“, fragte ich. Einigermaßen verunsichert. Einigermaßen verwirrt. Irgendwie im Dunkel.
„Dafür musst Du mir nicht erzählen was war in dieser Zeit, dazu musst Du noch nicht einmal einen Schritt von mir weggehen, weder in der Zeit noch örtlich. Dazu musst Du nur bei mir bleiben und sein, einfach nur sein, denn in Deinem Hier- und Jetzt-Sein erkenne ich Dein Werden, und ganz gleich wie lange es dauerte, ganz gleich wie viel Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre dafür notwendig waren, Du bist jetzt so, hervorgegangen aus den Berührungen all der wertvollen Momente, hervorgegangen aus dem was war, um mir hier zu sein“, sagtest Du geduldig. Nichts was Dich aus der Ruhe brachte. Nicht einmal meine Weigerung zu verstehen, dass die allgemeintesten, gewohntesten Fragen oft die falschesten sind. Fragen, die wir stellen, nicht weil wir wirklich eine Antwort haben wollen, sondern weil wir einreihen wollen, das Geschehen, chronologisch und möglichst genau, weil es sich so eingebürgert hat, ohne einen Gedanken daran, auch nur einen einzigen, ob all die Antworten einen Sinn ergeben.
„Wir haben so viel Information und wissen so wenig“, sagte ich schlussfolgernd.
„Wir stopfen uns voll mit Chronologie und Information und übersehen das Wesentliche, das was wirklich trägt. Wir konsumieren, nicht nur Dinge, sondern auch Menschen und Geschehen. Wir stopfen alles unhinterfragt in uns hinein, um es ebenso unreflektiert bei nächster Gelegenheit wieder auszuspeien. Wir sind es so gewohnt. Wir haben es nicht anders gelernt, und was wir nicht können, das probieren wir meist erst gar nicht“, merktest Du an.
„Aber ja, ich weiß nicht wie man das macht. Ich weiß nicht wie beginnen“, musste ich zugeben.
„Dann will ich es versuchen, um mit Dir weiterzugehen, uns miteinander begeben in uns und das was wir sind“, botst Du an.
„Bitte tu das!“, entgegnete ich.
„Es ist gut da zu sein, denn das Eintauchen in die Begegnung mit Dir schenkt mir die Möglichkeit mich zu öffnen“, sagtest Du, und es war ein guter Anfang ohne Fragen.

Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten