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Life is too short for boring stories

Die Schönheit des Moments ist sein Erblühen.
Die Tragik des Moments ist sein Ersterben.
Leben vollzieht sich zwischen Erblühen und Ersterben.
Nichts wird ihn wiederbringen.
Nichts wird ihn hindern.
Aber immer habe ich die Wahl.
Jedes Mal aufs Neue.

Im Rosengarten erscheint das Glitzern der Blauen Blume, die mir den Weg weist. Im Erwachen in die Nacht entdecke ich es, laufe den Flur entlang, die Treppen hinunter in den Garten. Die Rosen erscheinen im warmen Licht des vollen Mondes samten, glitzernd der Tau, der nicht vergessen lässt, dass ein Morgen auch die Nacht beendet.

Die Schönheit der Nacht ist ihr Erblühen.
Die Tragik der Nacht ist ihr Ersterben.
Leben vollzieht sich zwischen Erblühen und Ersterben.
Nichts wird sie wiederbringen.
Nichts wird sie hindern.
Aber immer hast Du die Wahl.
Jedes Mal aufs Neue.

Ich laufe durch den Rosengarten. Der Wind fängt sich in meinem Kleid, streichelt meine Beine. Wie Du. Lange Zeit zuvor. Wie ein Traum. Wie eine Ahnung. Wie eine Erinnerung. Wie eine Vorsehung.

Das Glitzern verändert seinen Platz und ich folge ihm, zum hinteren Tor hinaus. Ich entdecke eine Allee, gesäumt von riesigen Pappeln, deren Äste sich zärtlich ineinander schmiegen, ein Dach bildend, den Weg schirmend. Ich folge der Allee und dem Glitzern, bis zur ersten Bank, auf der ich Dich entdecke, Du mich entdeckst. Ich setze mich zu Dir und zur Gemeinsamkeit der Begegnung.

Die Schönheit der Begegnung ist ihr Erblühen.
Die Tragik der Begegnung ist ihr Ersterben.
Begegnung vollzieht sich zwischen Erblühen und Ersterben.
Nichts wird sie wiederbringen,
Nichts wird sie hindern.
Aber immer haben wir die Wahl.
Jedes Mal aufs Neue.

„Du schickst mich in die Welt hinaus, kaum, dass ich Dir begegne“, spreche ich mich Dir zu.
„Geh hinaus und lebe, und dann, dann kannst Du Deinen Ausdruck finden, sage ich. Nicht von mir schicke ich Dich weg, sondern Dich zu Dir“, sprichst Du Dich mir zu.
„Ich verstehe nicht, und doch lebe ich es. Alles was ich sehe, im Moment, ist das Weg von Dir. Und jetzt, da Du zurück bist, jetzt kann ich sagen, es war richtig. Gehen. Leben. Lieben. In Begegnung öffnen. Trauer und Schmerz. Schönheit und Glück. Die Fülle des Lebens, riechen, atmen, schmecken, einnehmen“, spreche ich mich Dir zu.
„Du hast Flügel, die Dich tragen, Flügel, die Dir erlauben das Innerste und Näheste, das Äußerste und Fernste zu erobern. Breite sie aus und fliege“, sprichst Du Dich mir zu.
„Ich habe Flügel und bewege mich sicher, egal wie oft sie brechen oder sie sie stutzen, sie wachsen nach und sind heil, mich weiter zu tragen, ins Innerste und Näheste, ins Äußerste und Fernste. Du gibst mir den Anstoß. Doch die Ausführung liegt an mir. Unsicher zunächst. Es ist doch so angenehm im Vertrauten, so eng und warm und sicher im Althergebrachten. Dennoch, Du zeigst mir wie es ist, es hinter mir zu lassen. Du führst mich ins Leben, indem Du mich loslässt. Du bist mir in jedem Schritt, in jedem Flügelschlag“, spreche ich mich Dir zu.
„Darin erfüllt sich das Wir und unsere Begegnung“, sprichst Du Dich mir zu, und gehst.

Ich folge dem Glitzern und der Allee.
Das Ziel der Sehnsucht ist das Erreichen.
Das Erreichen ist der Tod der Sehnsucht.

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Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten

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