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Life is too short for boring stories

Stetig fielen die Tropfen. Von Mal zu Mal wurde ich begieriger die Geschichte weiter zu hören, und von Mal zu Mal erfülltest Du mir diesen Wunsch, wie in dieser Nacht.

„Was für ein Wahnsinn! Es konnte doch nicht sein, dass ein Mensch einem anderen derart verfällt, dass er nicht mehr sein kann, dass er sich eher in den Tod stürzt als ohne diesen Menschen weiterzuleben, und das nur aufgrund einer läppischen Äußerlichkeit. Schönheit? Das geht doch vorbei. Spielt es denn irgendeine Rolle? Vielleicht, aber die dürfte doch nur eine marginale sein, denn wie schnell vergeht so etwas wie Schönheit, abgesehen davon, dass diese doch von jedem ein wenig anders beurteilt wird. Doch da fielen mir die Bilder von kreischenden Mädchen ein, die beim Anblick irgendeines Typen reihenweise in Ohnmacht fielen und noch mehr verrückte Sachen machten. War es denn wirklich so abwegig? ‚Du glaubst mir nicht’, kam Mochridhes Stimme von oben. ‚Das wäre wohl zu viel gesagt’, entgegnete ich diplomatisch, ‚Ich kann es mir nur schwer vorstellen.’ ‚Das kann ich gut verstehen. Wer weiß, vielleicht würde ich mir diese Geschichte ja selbst nicht glauben, wenn es nicht gerade meine wäre. Ja, ich wünschte, ich müsste sie nicht glauben, denn dann wäre es nicht meine’, merkte er an. ‚Und nachdem dies passiert ist, schloss Dich Deine Mutter im Turm ein um zu verhindern, dass so etwas nochmals passierte?’, versuchte ich nun zu unsrem eigentlichen Thema zurückzukehren. ‚Weit gefehlt’, entgegnete Mochridhe rasch, und ich meinte so etwas wie ein Lachen auszumachen, das voller Häme und Verbitterung war, aber womöglich hatte ich mich geirrt. Was hätte es da auch zu lachen gegeben? ‚Meine Mutter amüsierte sich köstlich über diesen Vorfall, so köstlich, dass sie mir am nächsten Tag bereits ein weiteres Mädchen zuführte, der es ebenso erging wie der ersten. Wohl waren wir einige Monate glücklich miteinander, aber es ging nur allzu schnell vorbei. So hatte ich alsbald das Leben von vier Mädchen auf dem Gewissen. Vielleicht stimmte ich zunächst meiner Mutter zu, und sah es als Spiel, das regelmäßig ein Menschenleben kostete, aber nach und nach wurde mir bewusst was ich da anrichtete. Es waren schließlich keine Puppen, die man bespielt und nach einer Zeit, wenn sie einem nicht mehr gefallen, achtlos wegwirft, sondern lebende, fühlende Menschen. Ich wusste, dass es falsch war, und doch war ich mittlerweile süchtig danach geworden, auf diese Weise bewundert und geliebt zu werden’, erzählte er weiter, und ein tiefes Grauen erfasste mich. ‚So bat ich meinen Vater mich in diesen Turm zu sperren und mir als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme diese Maske anzulegen, die ich selbst nicht öffnen kann’, schloss er seinen Bericht. ‚Aber Du kannst doch nicht für alle Ewigkeiten dort oben bleiben’, merkte ich nun an, ‚Gibt es denn keinen Ausweg, keine Hoffnung?’ ‚Doch, es gäbe einen Ausweg, eine Hoffnung’, gab er zurück. ‚Und wie sieht dieser Ausweg aus?’, fragte ich schnell. Doch ich bekam keine Antwort mehr. Ich hörte noch das Knarren der Türe über mir, wildes Gepolter, leise, zischende Laute, dann wieder Ruhe. Offenbar war ihm das Essen gebracht worden, doch der, der es brachte schien zu verweilen. Und ich brannte darauf mehr zu erfahren, doch offenbar musste ich mich in Geduld fassen. Doch wie lange? Die beiden Raben saßen stumm auf den Bettpfosten und der Wind trug mir das wehklagende Heulen der Wölfe zu. Was hatte das zu bedeuten? Hatte es etwas zu bedeuten? Ich blieb sitzen und achtete darauf, dass sich das Knarren der Türe wiederholen würde, dass Mochridhe wieder alleine sein würde und mir endlich sagen könnte was zu tun sei. Doch das Geräusch kam nicht. Da war nichts außer dem Heulen der Wölfe. Irgendwann schlief ich ein, am Boden neben dem Kamin. ‚Mochridhe, das bedeutet doch, mein Herz. Wie passend!’, rann es mir zäh durch den Kopf.“

Und auch mir bliebst Du die Antwort schuldig, bis zur nächsten Nacht, denn der Regen blieb.

Hier gehts zu Teil 9

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