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Life is too short for boring stories

Bei allen Versuchen Dich zu halten blieb meine Hand leer. Niemand lässt sich halten, nur von sich aus kann man bleiben, und doch trieb es auch Dich zu mir, wenn der Regen kam, einen Platz zu finden, zu erzählen. Hattest Du sonst keinen?

„Ich konnte es mir nicht vorstellen, was er meinte, der ‚Fluch der Schönheit’. Natürlich gab es so etwas an Menschen, was wir schön zu nennen pflegen, aber wer weiß was das sein mochte. Wenn man nachfragte, was denn an dem Menschen so besonders schön sei, so vermochte niemand auf eine Art zu antworten, die befriedigend genannt werden könnte. Es gibt keine festgeschriebenen, allgemein gültigen Kriterien für Schönheit, so wie es sie für bestimmte andere Krankheiten gibt. Aber was hebt solche Menschen unter anderen hervor? Was macht sie so besonders? Und der dort über mir, der behauptete von sich nicht nur schön zu sein, sondern so schön, dass jeder ihm angeblich verfiel und nicht mehr von ihm loskam. ‚Morrigan? Bist Du noch da? Oder bist Du nur eine Einbildung?’, hörte ich nun eine Stimme von oben, die alles Weh abgelegt hatte und nun so sanft klang wie ein Wiegenlied. ‚Ja, ich bin noch da’, antwortete ich leise, mich von der Stimme umfassen lassend. ‚Möchtest Du weitererzählen?’, fragte ich nach einigen Momente der Stille. ‚Wenn Du das willst …’, stimmte er zu, um dann fortzufahren, ‚Ich weiß nicht wie lange es her ist, denn hier oben im Turm verliert jegliche Zeit ihre Bedeutung, fließt zuerst Tag in Nacht, Tage ineinander, dann Wochen, Monate, bis sie ein zäher, klebriger Teig werden. Alles eins. Manchmal ist es kalt, manchmal warm. Manchmal ist es trocken, manchmal feucht. Sonst ändert sich nichts. Ich war in dieser Burg aufgewachsen und scheute die Welt außerhalb des Waldes. Was hatte ich auch mit ihr zu schaffen, wo ich doch hier alles hatte, was mein Leben bereicherte? Eines Tages verirrte sich ein junges Mädchen in unserem Wald, und als ob das nicht genug gewesen wäre, ging an diesem Tag auch noch ein furchtbares Unwetter nieder. Völlig durchgefroren und durchnässt klopfte sie bei uns an. Außer meinen Eltern hatte ich noch niemanden gesehen, und als sie da so stand, erschien sie mir wie ein Engel, mit ihren langen, goldenen Haaren. Ich wollte sie besitzen, sie zu meinem Eigentum machen. Mehr noch, ich wollte, dass sie nie mehr von mir lassen konnte. Und so geschah es. Mit all ihrem Sein verfiel sie mir, konnte nicht mehr leben, nicht mehr denken, nicht mehr atmen ohne mich, und ich ließ es mir gerne gefallen. Es schien für sie auf der Welt nichts zu geben außer mir. Ihre Welt war ich. Anfangs wähnte ich mich glücklich, aber nach und nach wurde ich ihrer überdrüssig. Die ständige Aufmerksamkeit, die permanente Umsorgung ging mir ziemlich auf die Nerven, so dass ich sie fortschickte, denn ich hatte das Gefühl ersticken zu müssen unter dem harten Griff ihrer Liebe. Ich musste mir eingestehen, dass ich nichts für sie empfand, nichts was ihren Gefühlen für mich auch nur annähernd ähnelte. Wie ein Jäger schien ich zu sein, der der Sache überdrüssig ist, sobald er die Trophäe in der Hand hielt, und in meinem Fall war es kein Geweih, sondern ein lebendiges, schlagendes, menschliches Herz.

Mein Herz war meins
bis zu dem Tag
da ich Dich sah.
Jetzt ist es Deins
weiß nicht woran es lag
was mir geschah.

So sagte sie, als sie ging, an jenem Tag, da ich sie fortschickte, hinauf auf den höchsten Turm, von dem sie sich hinabstürzte. Ich hob sie auf, diesen toten Körper, doch ich fand nicht einmal mehr Mitleid, nur noch Widerwillen und Ekel. So wandte ich mich ab. Toter Körper neben toten Blättern. Die Würmer würden sich schon um sie kümmern. Ich jedoch war infiziert. Ich war begierig wieder jemanden zu besitzen, jemanden von mir abhängig zu machen, dann das war der einzige Weg mich lebendig zu fühlen.’ An dieser Stelle hielt er inne. Mir war kalt geworden, so kalt, und doch war ich noch nicht sicher, was ich davon glauben sollte.“

Und am Ende des Regens und des Erzählens stand wie immer Dein Fortgang.

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