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Life is too short for boring stories

Es war ein langer Tag. Ich bin müde. Während ich mich aufs Neue ins Auto setze und den Motor starte, wandert meine Sehnsucht nicht zu Dir, sondern zu meinem Bett. Jetzt einfach nur einrollen und dem erschöpften Körper Ruhe gönnen, das wäre jetzt das Richtige. Viel besser als nochmals ein paar Stunden im Auto zu sitzen und monoton die Autobahn dahinzufahren. Was für ein Unsinn eigentlich. Sollte ich Dir schreiben, dass ich doch nicht komme? So abwegig ist die Erklärung nicht, dass ich zu müde, zu erschöpft bin. Es wäre sogar die Wahrheit, oder beinahe annähernd. Müde und erschöpft bin ich ja, aber zu müde und erschöpft. Wo fängt es an zu viel zu sein, um noch den Weg zu Dir zu bewältigen? Denn eigentlich, so krame ich aus meinem Gedächtnis hervor, wo ich es abgelegt hatte, eigentlich, freute ich mich darauf, auf das Ankommen und die Begegnung mit Dir.

Mittlerweile ist es dunkel geworden. Zum Glück ist nicht viel Verkehr. Die ersten hundert Kilometer habe ich hinter mir. Ein gutes Stück habe ich schon geschafft. Ich könnte mich darüber freuen, wenn ich nicht wüsste, dass ich nochmals das Doppelte zu bewältigen hätte. Es langweilt mich. Das macht es schwieriger, sich zu konzentrieren. Wenige Autos, viele Baustellen. Es hält einen wach, runterbremsen, Geschwindigkeitsbegrenzungen einhalten. Warum mache ich das eigentlich? Erst hundert Kilometer und ich mag schon nicht mehr. Das Kreuz tut mir weh und die Müdigkeit wird bleiern, die Erschöpfung drückt mich nieder, auch meine Erwartungen. Eigentlich kennen wir uns gar nicht, und dennoch sitze ich hier im Auto und fahre zu Dir. Obwohl, was heißt schon kennen? Eine Mixtur aus Informationen und dem, was jenseits der Informationen liegt. Wie Du Dich mitteilst, was Du von Dir offenbarst, jenseits des Inhalts als Ausdruck. Gar nicht stimmt so gesehen nicht, nicht ganz. Wahrscheinlich haben wir viel mehr voneinander erfahren, als wir zu sagen vermögen. Und das Mehr an erfahren ist das, was mich auch dazu brachte zu Dir zu fahren und den Wunsch Dich zu sehen aufrecht hält, auch wenn er sehr leise geworden ist. Beinahe kleinlaut. Er ist stiller als der Schmerz in meinem Kreuz und die Aufforderung doch lieber schlafen zu gehen.

Die nächsten hundert Kilometer habe ich hinter mir. Jetzt wäre es auch völlig unsinnig wieder umzukehren. Stehenbleiben, das ginge, die Augen zumachen, ausruhen. Ich sehe mich um, so weit das in der Dunkelheit und von der sterilen, grauen Straßenwüste aus möglich ist. Die Gegend ist mir vage vertraut. Von früher. Sehr vage. Und was sollte ich hier, mitten in der Nacht, alleine. Aber was haben wir uns eigentlich versprochen, von einem Zusammenkommen? Was haben wir erhofft? Und warum eigentlich wir? Wir haben es uns ausgemacht, doch was Du daran knüpfst, kann ich nicht sagen. Ich kann nur von meinen Hoffnungen wissen, die ich mir zusammengezimmert habe, wie einen losen, beinahe nachlässig zusammengenagelten Bretterverschlag. Ein wenig windschief und witterungsgefährdet erscheint er mir, bei dem ein wenig Widerstand durch eine, wie immer geartete, Missstimmung genügen würde, alles in sich zusammenfallen zu lassen. Und für diese, mehr als vagen Aussichten fahre ich tatsächlich so weit?

Jetzt sind es nur mehr ein paar Minuten. Nein, es war mehr als eine vage Konstruktion. Vielleicht der Aufbau, aber der Untergrund, das was trägt haben wir begonnen zu festigen, das worauf alles aufbaut, alles was sein könnte, alles was möglich ist. Gemeinsamkeiten, ausgesprochen und unausgesprochen, Lebenseinstellungen, verbalisierte und in den Zeilen versteckte und die grundsätzliche Ausrichtung auf das Leben in all seiner Schönheit und Offenheit. Es klingt nach nicht viel. Es ist auf jeden Fall viel mehr.

Ein Ankommen. Ein Blick. Ein Lächeln. Eine Begrüßung. Und alles fällt von mir ab, die Schmerzen im Kreuz, die Müdigkeit, die Erschöpfung, sind wie weggeblasen, in dem Moment, in dem ich in jeder Faser meines Körpers, meines Willens und meines Geistes spüre, warum ich diesen langen Weg auf mich genommen habe. Dieser eine Moment, der erste, in dem sich die Begegnung als Erfüllung erweist. Ein Moment, in dem alle Beschwernis, alle Bedenken von mir abfallen und ich nichts bin, als hier und mit Dir. Es gibt keine Fragen mehr und es bedarf keiner Erklärungen. Das Hier- und Mit-Dir-sein ist es worum es geht. Und wenn es uns gelingt uns ganz und gar und restlos einzulassen, dann rechtfertigt das selbst den allerlängsten Weg.

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