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Life is too short for boring stories

„Das ist wunderbar“, erwiderte Hr. Dr. Schön, „Ich hatte nie gewusst, dass Du solche Ambitionen hast.“
„Du hast viel von mir nicht gewusst“, sagte Fr. Schön knapp, „Menschen verändern sich, lernen dazu und man merkt es nicht. Oder sie haben große Träume und Pläne und behalten sie für sich, weil sie Angst haben, dass man sie ihnen kaputt macht. Oft fehlt einfach das Vertrauen.“
„Und auch ein wenig Wagemut“, fügte Hr. Dr. Schön hinzu. Damit schloss er seine Frau in die Arme und sagte ganz leise, „Ich liebe Dich.“ Und als er dem Klang der Worte, die er so lange nicht mehr ausgesprochen hatte, nachhörte, wusste er, dass es richtig war, genauso.
„Herr und Frau Brügge“, richtete sich nun Fr. Ehrgeizig an das Ehepaar, „Wir haben einen Fehler gemacht und offenbar nicht nachgedacht. Wir sind seit vielen Jahren in dem Geschäft und man lernt mit der Zeit, dass es keine Ethik und keine Moral in der Geschäftswelt gibt. Mit Ihrer ethischen Einstellung waren wir schlicht überfordert. Deshalb möchten wir Sie bitten, uns noch eine Chance zu geben. Dann wird sich zeigen, ob eine Zusammenarbeit möglich ist oder nicht.“ Kurz sah Fr. Brügge ihren Mann an, um dann zu erklären.
„Nun, dann setzen Sie sich und probieren einfach unsere Produkte, dann werden wir weitersehen“, was sich Hr. und Fr. Ehrgeizig nicht zwei Mal sagen ließen.

„Was für ein Tag“, sagte Lisa zu Ben, als sie sich an diesem Abend erschöpft auf die Couch kuschelten, nachdem sich die Gäste verabschiedet hatten und die Kinder im Bett waren.
„Hättest Du je gedacht, dass so viel Veränderung in so kurzer Zeit möglich ist?“, fragte Ben nachdenklich.
„Wir werden sehen, ob es sich um eine wirkliche Veränderung handelt, aber da ist einiges in Bewegung gekommen, das auf jeden Fall“, meinte Lisa, „Oder hättest Du Dir je vorstellen können, dass all diese Menschen je an einem Tisch sitzen und Spaß haben.“
„Es ist ein guter Anfang“, unterstrich Ben, „Verena und Markus Fleißig erneuern ihr Ehegelübde und wir sind eingeladen. Spannend. Und Hartmut Schön, der gute Hr. Dr. wird seinen Ehevertrag zerreißen.“
„Und so wie es aussieht kommen Amanda und Waldemar Ehrgeizig doch noch mit Marie-Luise und Philip Brügge ins Geschäft“, ergänzte Lisa.
„Hast Du mitbekommen wie es ihnen allen geschmeckt hat?“, fragte Ben.
„Klar, sie haben bis auf die letzten Brösel alles aufgegessen“, meinte Lisa.

Am nächsten Morgen, Montag morgen, schien alles wie immer zu sein, doch wenn man genau hinsah, dann merkte man, dass dem doch nicht so war, denn die Menschen, die sich bisher kaum beachtet hatten, grüßten fröhlich, auch von Terrasse zu Terrasse. Alle waren interessiert daran, eine gute Nachbarschaft zu pflegen. Alle? Nicht alle, denn Fr. Anständig, die daheim geblieben war, funkelte ihren Mann wild an.
„Erstens bist Du da ewig drüben geblieben. Ich möchte nicht wissen, was Du da getrieben hast“, erklärte sie, die Hände in die Hüften gestemmt, „Aber das, was ich Dir angeschafft habe, ganz bestimmt nicht, so laut wie es da zugegangen ist.“
„Ach halt doch einfach den Mund“, meinte Hr. Dr. Anständig einfach und nahm seine Frau in die Arme, die vor lauter Verblüffung ganz darauf vergaß, sich dagegen zu wehren, ja sogar, sich weiter aufzuregen, so überrascht war sie über seine Reaktion, „Ich werde Dir alles bei Gelegenheit erzählen und Du wirst sehen, unsere neuen Nachbarn sind in Ordnung. Vielleicht sind sie anders als wir, aber das macht es doch gerade aus, dass man anders ist und sich daran erfreuen kann. Du hast so viele wunderbare Eigenschaften. Du bist großmütig und tolerant, ich weiß das. Deshalb kannst Du die Art wie sie leben unter diesem Blickwinkel betrachten.“
„Nun, wenn Du das sagst“, sagte seine Frau und hüstelte ein wenig, um sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen, „Ich werde es so machen. Du hast natürlich ganz recht, man darf mit den jungen Menschen nicht so streng sein. Vielleicht brauchen sie auch mal meine Hilfe. Ich werde heute Nachmittag hinübergehen.“
„Tu das, Schatz“, erwiderte Hr. Dr. Anständig fröhlich. Damit verabschiedete er sich, um ins Büro zu fahren. Es war der Beginn einer neuen Woche, der sich anfühlte, als wäre er auch gleichzeitig der eines neuen Lebens.

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2 Gedanken zu “Die Anständigen, die Fleißigen, die Ehrgeizigen, die Schönen und die Anderen (14)

  1. Nun hätte ich doch beinahe das Ende verpasst! Schöne Geschichte darüber, wie ein kleiner äußerer Anstoß dazu führen kann, dass Menschen sich darauf besinnen können, was wirklich wichtig ist.

    1. novels4utoo sagt:

      Danke Dir. Das freut mich sehr, dass es Dir gefallen hat.

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