„Nun schau Dir mal das an!“, forderte Frau Ehrgeizig ihren Mann auf, der im Garten stand und grillte. Sie selbst hatte einen guten Blick von der Terrasse auf die umliegenden Grundstücke, „Wer sich heutzutage mit wem einlässt, ist sagenhaft. Manche Menschen haben absolut kein Standesbewusstsein.“
„Darling, sei doch nicht schon wieder so unsozial“, erwiderte er, während er das Steak vom Kobe Rind vorsichtig umdrehte. Ihre Gäste würden jeden Moment kommen und da müsste das teure Fleisch perfekt sein. „Eine Investition, die sich unbedingt bezahlt macht“, dachte Hr. Ehrgeizig, der es geschafft hatte, gemeinsam mit seiner Frau, in die erlesensten Wirtschaftskreise Einlass bekommen zu haben. Das bedeutet viel Arbeit und persönlichen Einsatz, aber sie hatten es geschafft. Ein fetter Auftrag winkte für ihre PR-Agentur. Es war ihm, als müsste der Vertrag nur noch unterschrieben werden. Genießerisch grinste er, während sein Blick die Grillfortschritte genau beobachtete. „Da liegen € 200,– auf dem Grill“, dachte er noch, als ihn seine Frau nochmals aus seiner Konzentration riss.
„Willst Du gar nicht wissen, wer sich da mit wem abgibt?“, fragte sie rundheraus. Eigentlich war es ihm im Moment ziemlich egal, aber nachdem er seine Frau schon einige Jahre kannte, war er sich dessen bewusst, dass sie nicht lockerlassen würde. Da war es einfacher, gleich nachzufragen.
„Also, wer lässt sich mit wem ein, Darling?“, fragte er deshalb.
„Der Herr Fleißig und die Frau Schön mit diesen Zugezogenen, diesen Pseudohippies“, erklärte sie triumphierend.
„Aha“, antwortete er kurz, während er diese beiden in Gedanken von seiner Bekanntenliste strich. Das konnte nur schlecht fürs Image sein, um dann doch irritiert aufzusehen, „Was nur die beiden?“
„Ja, nur die beiden, sitzen dort, ohne Partner und scherzen und plaudern mit denen“, beschrieb Fr. Ehrgeizig genüsslich die beobachtete Szene.
„Unglaublich, wirklich“, mischte sich nun eine andere Stimme in das Gespräch der Eheleute. Irritiert sahen die beiden auf und stellten fest, dass die Stimme zu Hr. Dr. Schön gehörte, der offenbar sowohl die Szene im Garten von Lisa und Ben beobachtete, als auch das Gespräch zwischen Fr. und Hr. Ehrgeizig mitgehört hatte, „Und mir hat sie gesagt, sie geht nur kurz mit dem Hund raus. Aber das werde ich mir nicht bieten lassen. Die wird sich noch anschauen.“
„Wollen Sie nicht zum Essen kommen?“, fragte Hr. Ehrgeizig geflissentlich, der sofort seine Chance witterte mit dem angesehensten Schönheitschirurgen der Stadt aufwarten zu können.
„Das würde ich sehr gerne“, erklärte Hr. Dr. Schön spontan, der meinte seiner Frau eines auswischen zu können. Er stellte sich vor, wie er später erzählte, dass er mit den feinsten Kreisen diniert hatte. Nur er und nicht sie.
„Wie man sich nur so gemein machen kann. Das färbt ab. Lachen und scherzen miteinander“, setzte Fr. Ehrgeizig noch hinzu, bevor sie von der Terrasse verschwand, um die Gäste hereinzulassen, die sich gerade durch ein Klingeln bemerkbar gemacht hatten.
Spaß hatten sie, diese so unterschiedlichen Menschen im Garten von Ben und Lisa. Umso länger sie sich unterhielten, desto mehr stellten sie fest, dass es so vieles gab, was man über die selbstaufgebauten Grenzen hinweg gemeinsam hat. Die Sorge um das Leben und um die, die einem nahestehen, Sicherheit und Geborgenheit, Vertrautheit und Verlässlichkeit, das sind Dinge, die uns einen.
„Sag, warum hast Du so viel Farbe im Gesicht?“, fragte Nina Fr. Schön unvermittelt. Betretene Stille trat ein und die Angesprochene wusste nicht, was sie erwidern sollte, zumal sie das erste Mal damit konfrontiert wurde. „Du musst Dich schön machen“, war das Credo ihrer Mutter gewesen, „Denn eine Frau hat nichts als ihre Schönheit in dieser Gesellschaft. Alles andere ist unwichtig. Das ist Dein Kapital. Und Du hast davon einiges mitbekommen. Also streif die Dividende ein, so lange es geht.“ Und daran hatte sich Fr. Schön immer gehalten. Doch es war ein trügerisches Kapital, wie sie sich nun eingestehen musste, zumal nach dem Gespräch mit ihrem Mann. Schönheit ist vergänglich. Vielleicht hätte sie ihre Schäfchen eher ins Trockene bringen sollen, aber dazu war sie zu wenig berechnend. Was hatte sie für eine Alternative? Da erst fiel ihr auf, dass das Mädchen immer noch auf eine Antwort wartete.
„Warum möchtest Du das wissen?“, erwiderte Fr. Schön ausweichend.
„Weil das Mama nie macht und Du ein bisschen wie ein Clown aussiehst“, erklärte die Kleine rundheraus.
„Du hast wahrscheinlich recht“, sagte Fr. Schön, „Ich habe mich tatsächlich zu einem Clown, einer Witzfigur machen lassen. Aber damit ist jetzt Schluss.“
Das Leben literarisch ergründen

Ungezähmt. Anleitung zum Widerstand


Der Weg ist das Ziel ist der Weg
***
Au weia, da braut sich was zusammen. Bin gespannt, wie es weiter geht.
Ja das tut es. Schau ma mal …