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Life is too short for boring stories

So kam es, dass eines Morgens ein Lastwagen vor dem kleinen Häuschen hielt, aus dem Umzugskartons ausgeladen wurden. Es war ein Samstag, so dass die meisten Nachbarn zu Hause waren, wohl gerade beim Frühstück saßen und die Geschehnisse genau beobachteten, sehr genau. Denn plötzlich stand ein glatzköpfiger, etwas korpulenter Mann vor Lisa, die ihn fast umgerannt hätte, denn zwischen ihnen war ein Umzugskarten, den sie gerade ins Haus bringen wollte.
„Passen Sie doch auf“, entfuhr es Herrn Doktor Anständig unwillkürlich. Woraufhin Lisa die Kiste abstellte und den kleinen Mann lächelnd begrüßte.
„Guten Morgen, Herr Dr. Anständig“, sagte sie.
„Nein, nein, nein, das ist gar kein guter Morgen“, meinte dieser verdrossen, „Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie mit ihrem Monstrum von einem Auto fünf Zentimeter vor meiner Einfahrt stehen. Fünf Zentimeter. Dafür könnte ich sie anzeigen.“

„Wieso, wollen sie wegfahren?“, fragte Lisa irritiert, da sie den Sinn dieser Auseinandersetzung nicht ganz verstand.
„Nein, ich will nicht wegfahren, aber ich könnte wollen, aber wenn ich wollte, könnte ich nicht unbeschadet aus meiner eigenen Ausfahrt fahren“, erklärte er verkniffen, „Wenn Sie in 20 min damit nicht weggefahren sind, sehe ich mich gezwungen, die Exekutive zur Hilfe zu holen.“ Sprachs, drehte sich am Absatz um und schritt, so würdevoll wie möglich, zurück zu seinem Domizil. Tatsächlich fuhr 25 min später ein Polizeiwagen vor. Dienstbeflissen begutachteten die Beamten das Corpus Delicti, also den Lastwagen. Wiederum musste Lisa einen Karton abstellen, um sich zu ihnen zu gesellen, während sie beobachtete, dass das Gesicht des Herrn Anwalts dunkelrot angelaufen war.
„Da ist alles in Ordnung, Herr Doktor“, hörte Lisa einen der Beamten sagen, „Da steht nichts drüber.“
„Sie, Sie haben den Wagen zurückgesetzt“, erklärte Herr Anständig beinahe unanständig laut.
„Ja, habe ich“, meinte Lisa trocken, „Damit müsste das Problem doch erledigt sein.“
„Aber ich habe Ihnen doch gesagt, Sie müssen wegfahren!“, fuhr der Anwalt fort, „Sagen Sie ihr, dass sie das muss!“, wandte er sich an die Beamten.
„Ich fürchte fast, sie muss nicht“, entgegnete der eine der beiden, wobei er ziemlich zerknirscht klang, aber Gesetze gelten nun mal auch für Anwälte.
„Sie wollen mir aber jetzt nicht sagen, dass Sie in dieser Angelegenheit nichts unternehmen wollen“, fuhr der Herr Anständig fort.
„Es ist nicht wegen dem Wollen, aber wir können nicht“, wurde der Beamte immer kleinlauter.
„So, so, da dürfen sich so asoziale Subjekte aufführen wie sie wollen und anständige Bürger haben das Nachsehen“, meinte der Anwalt, „Aber glauben Sie ja nicht, dass ich das auf mir sitzen lasse. Das wird ein Nachspiel haben.“
„Sie meinen die Beleidigung, die Sie sich leisteten?“, fragte Lisa, nun doch ein wenig um Contenance bemüht.
„Welche Beleidigung?“, meinte der Anwalt verblüfft.
„Asoziale Subjekte“, wiederholte Lisa seine Worte.
„Und sind Sie das vielleicht nicht?“, schnaubte der Herr Anständig nun, „Sie zahlen sicher keine Steuern und kassieren jede Menge Unterstützung. Solche wie Sie kennt man ja.“
„Sie wissen nichts von mir und auch nichts von meiner Familie, nehmen es sich aber heraus zu urteilen, von ihrem moralisch hohen Ross herab und merken noch nicht einmal, dass das Pferd, das Sie reiten schon längst tot ist“, erwiderte Lisa, als sie unvermittelt eine Hand auf ihrer Schulter spürte.
„Lass es gut sein Liebling“, sagte der junge Mann, der zu ihnen getreten war, „Es hat keinen Sinn mit ihm zu diskutieren. Er hat seine fertige Meinung und dagegen kommst Du nicht an, egal wie unrecht er hat.“
„Du hast ja recht“, erwiderte Lisa, nun wieder ruhig, woraufhin sich die beiden um- und ihrer Arbeit wieder zuwandten.
„Sie können mich doch nicht einfach hier so stehenlassen“, zeterte Herr Doktor Anständig hinter ihnen her, während die Beamten die Gelegenheit nutzten, um sich aus dem Staub zu machen.
„Das wird ein Nachspiel haben“, brüllte der gute Anwalt schon fast, was die Exekutivbeamten noch im davonbrausenden Auto vernahmen. Lisa und Ben nahmen keine Notiz mehr davon.
„Wir sind angekommen“, meinte Lisa zu ihrem Freund, als sie am Abend todmüde im Wohnzimmer ihres neuen Zu Hauses saßen, während die Kinder bereits tief und fest schliefen, „Meinst Du, es wird irgendwann besser werden, ich meine mit den Nachbarn?“
„Es wird immer besser werden, wirst sehen“, beruhigte sie Ben sanft. Dann nahm er sie in den Arm und sang ihr leise was vor. „Es war diese Stimme, in die ich mich zuerst verliebte“, dachte Lisa bei sich, während sie leicht ins Land der Träume glitt.

Hier gehts zu Teil 4

Das Leben literarisch ergründen

Ungezähmt. Anleitung zum Widerstand

Die Pianobar

Der Weg ist das Ziel ist der Weg

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2 Gedanken zu “Die Anständigen, die Fleißigen, die Ehrgeizigen, die Schönen und die Anderen (3)

  1. Oh, Oh. Das kann ja heiter werden. Mit solchen Nachbarn hat man meist eine Menge Spaß, die lassen nicht locker 😏

    1. novels4utoo sagt:

      Das wird es noch. Das kann fast nichts schief gehen 😉

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