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Life is too short for boring stories

„Warum sagst Du nichts?“, kommt es spitz von einem der beiden Partner*innen, wenn man sich einmal in die sog. traute Zweisamkeit verirrt hat.

„Weil ich gerade nichts zu sagen habe“, wäre die wohl ehrliche Antwort, aber sicherlich verfehlt, denn darauffolgt, ebenso unausweichlich, wie das Amen im Gebet, die Antwort:

„Du meinst wohl, weil Du mir nichts zu sagen hast.“ Zu fragen,

„Was soll ich Dir denn sagen oder was willst Du denn hören?“, wäre genauso unüberlegt. Denn dann kann man sich anhören,

„Ich will nicht, dass Du sagst, was ich will oder was ich hören will, sondern ich will, dass Du von Dir aus mit mir sprichst, offen und ehrlich.“ Und schon sitzt man in der schönsten „Sei-spontan“-Falle, denn wenn man dann was erzählt, dann nur, weil man sich genötigt fühlt. Damit kommt aber wiederum unausweichlich der Vorwurf, dass man das nur tut, weil man darum gebeten wurde. Die Katze hat sich den Schwanz schon längst wundgebissen. Man kommt nicht aus.

„Was denkst Du?“, ist eine weitere dieser Fallen-Fragen. Entweder ist der Gedanke verschwunden, in dem Moment, in dem man die Frage hört und darüber nachdenkt. Also kann man nicht antworten. Oder man denkt an etwas, woran man nicht denken soll oder darf. Dann kann man erst recht nicht ehrlich antworten.

„Nichts“, scheint die einzig mögliche Antwort zu sein.

„Das glaube ich Dir nicht“, kommt prompt zurück, „Glaubst Du ich kenne Dich nicht? Glaubst Du, Du kannst mir ein X für ein U vormachen? Ich sehe Dir doch an, dass Du an etwas denkst.“ Spätestens an diesem Punkt hat man verloren. Egal, was man sagt, man wird als Lügner*in hingestellt.

„Du hörst mir nicht zu“, kommt nach einem viertelstündigen Vortrag über die Schrecknisse des Lebens wie widerspenstige Haare, verständnislose Freund*innen, Teuerungen bei den Botox-Spritzen, dem Abseitsunwissen des Schiedsrichters und ähnlich Wichtigem der Vorwurf. Natürlich hat man spätestens beim Einläuten dieser Tirade auf Durchzug geschalten, weil es so abgrundtief langweilig und unnötig ist.

„Stimmt, ich habe Dir nicht zugehört, weil es mich nicht interessierte und das weißt Du auch genau“, wäre eine ehrliche Antwort, doch wenn man ein irgendwie geartetes Interesse daran hat, diese Beziehung fortzuführen, gilt es diese zu vermeiden, denn dann kommt unausweichlich:

„Du hörst mir nicht zu, weil Du kein Interesse an mir hast.“ Spätestens an diesem Punkt hat man schon wieder verloren, denn man kann zwar immer noch vorbringen, dass das alles nichts mit der Person an sich zu tun hat, aber da ist man falsch gewickelt. Man könnte auch sagen, dass es keinen Informationswert hat, aber dann wird einem prompt der Beziehungsaspekt vor die Nase gehalten.

Drei Standardsituationen, die jede*r irgendwie schon einmal durchlaufen hat. Mit großem Genuss werden sie immer und immer wieder im sog. Kabarett breitgetreten und ebensolchem unausweichlichem Gelächter quittiert. Das aus zwei Gründen. Erstens einmal kann man schadenfroh feststellen, dass alle anderen genauso beschissene Beziehungssituationen haben, wie man selbst. Zweitens, wenn es alle so machen, dann muss das wohl so sein. Letztlich eine Bestätigung dafür, dass es eben nicht anders geht und das in jeder Beziehung gleich ist. Das enthebt einen auch der Möglichkeit oder auch nur des Gedankens, dass man es vielleicht anders machen könnte. Zum Beispiel könnte man mit Ehrlichkeit beginnen und sagen was man denkt, seine Bedürfnisse und Wünsche klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, ohne dass sich jemand in seiner Eitelkeit verletzt fühlt. Ein Weg vom, nur Ich bin Dein Nabel der Welt, ohne den Du nicht leben kannst, hin zu einem, verständnisvollen, offenen, vorurteilsfreien, nicht in Besitz nehmenden Umgang miteinander. Aber was könnte man dann im Kabarett noch bringen? Denn wer einen achtsamen, empathischen Kommunikationsstil pflegt, kann bei solchen Kabarettprogrammen einfach nur fassungslos drinnen ausharren oder müsste den Saal sofort kopfschüttelnd ob so viel kollektiver Dummheit und Lernunfähigkeit verlassen. Aber vielleicht ist es einfacher sich darüber lustig zu machen, damit man zu Hause sagen kann, „Siehst, wir machen genau denselben Unsinn“, wozu ich aber nicht raten würde, denn wenn das ruchbar wird, muss man wieder ins Kabarett, um sich auch das noch anzuhören.

Aus: Alles ganz normal. Geschichten aus dem Leben

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