„Sabrina, die eine meiner beiden Schwestern, hatte sich also für die Karriere als Geschäftsfrau entschieden und darin ihre Erfüllung gefunden. Sarah, meine zweite Schwester, konnte diesem Treiben wohl nur kopfschüttelnd zusehen, wenn sie denn überhaupt zusah, denn sie ist die Träumerin, die Romantikerin, die Phantasievolle. Alles was sie sah und wahrnahm, war die Unmittelbarkeit. Jeder, der mit ihr zu tun hatte, blühte auf und öffnete sich, er wusste nicht warum und fragte auch nicht. In ihrer Gegenwart kann man nicht anders als aus sich heraus zu gehen. Ihre Zuwendung ist Annahme, reinste, unverbaute Annahme. Sie sprüht vor Kreativität und Einfallsreichtum, vor hehren Ideen und Idealen. Der allerbanalste Gegenstand verwandelt sich in ihren Händen in ein Kunstwerk.
Und doch lebt sie in ihrer eigenen Welt, in der sie jeden willkommen heißt, die sie selbst jedoch nie verlässt. Bunt und prächtig ist diese Welt, doch weit ab alles Praktischen und Vernünftigen. Es war auch nicht notwendig, denn sie wurde von einem Mann gefunden, der ihr dies alles abnahm und sie sein ließ, wie sie war. Was für ein Segen jemanden zu finden, der einen genau so nimmt, wie man ist, mehr noch, der einen darin befördert immer mehr selbst zu werden. Ich denke, sie kann gar nicht anders als in allem nur das Schöne und Kunstvolle zu sehen. Alles andere blendet sie aus. Beseelt von einer schier unerschöpflichen Kraft und Intensität, erfindet sie sich jeden Tag neu. Mit ihren Kindern wuchs sie, hinein in die Märchen- und Phantasiegestalten, und es war mir, als würde sie mit ihnen ihr Leben nochmals neu leben. Finanziell und emotional hat sie sich in die völlige Abhängigkeit begeben und kostet in vollen Zügen, die Höhen und Tiefen, die Selbstverströmung und Selbstverstrickung, aus. Das Feuer in ihr brennt, doch es wärmt und verbrennt gleichermaßen. Sie atmet und erstickt, sie fliegt und sie fällt, sie tanzt und sie zittert, von einem auf den anderen Moment. Es kann sein, dass sie einbricht wie ein Wirbelwind, wenn sie kommt, um kurz darauf völlig entkräftet dazusitzen. Und auch sie habe ich gefragt, ob sie denn glücklich sei, und in einem Moment war sie grenzenlos glücklich, um im nächsten ebenso grenzenlos unglücklich zu sein. Woher nur nimmt sie die Kraft sich so rücksichtslos zu verschenken? Ist es der Sinn, Geschenk zu sein, bis man sich völlig ausgezehrt hat? Bis zu den Grenzen, und weit darüber hinaus!“
Das Leben literarisch ergründen

Ungezähmt. Anleitung zum Widerstand


Der Weg ist das Ziel ist der Weg
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