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Life is too short for boring stories

„So ein Mistkerl, so ein verfluchter!“, schimpfte sie leise für sich hin, „Jetzt hat der mich tatsächlich da einfach auf die Straße gesetzt, im Wald, mitten in der Nacht.“

Kopfschüttelnd stakste sie in ihren High-Heels über die Straße, während sie nicht und nicht aufhören konnte ihn zu verdammen. Er hatte, eingestandenermaßen, eigentlich nur gemacht was sie wollte. Also, was sie gesagt hatte, dass sie wollte. Dabei hatte der Abend so vielversprechend begonnen und hatte sich in eine noch verheißungsvollere Nacht fortgesetzt. Den ganzen Abend hatte er mit ihr getanzt, auf dem Ball. Und zuletzt beschlossen sie noch zu ihm zu fahren, auf einen Schlummertrunk. Doch dann hatte er wieder angefangen mit dieser alten Litanei, vonwegen, wann sie denn nun eine feste Beziehung eingehen wollten, wann sie sich denn endlich entscheiden würde. Sie hasste es unter Druck gesetzt zu werden, vor allem, nach gefühlten Ewigkeiten ohne eine anständige Mahlzeit.

„Lass mich sofort aussteigen!“, hatte sie ihn angebrüllt, und dann war es geschehen. Er hielt an, griff über sie hinüber und öffnete die Beifahrertüre, um sie aus seinem Auto zu befördern. Das konnte doch nicht wahr sein, dass er tatsächlich auf sie gehört hatte.

Wahrscheinlich wartete er irgendwo auf ihren Anruf, dass sie kleinmütig bitten würde, sie zu holen, doch da hatte er sich geschnitten. Sie würde zu Fuß nach Hause gehen, und wenn sie die ganze restliche Nacht dafür brauchte. Entschlossen stapfte sie weiter. High-Heels waren vielleicht hübsch und damenhaft, aber sie hatten keinesfalls den Zweck einen Waldspaziergang mit ihnen zu unternehmen. Jeder einzelne Schritt schmerzte höllisch. Sie hielt inne und überlegte, ob sie die Schuhe nicht ausziehen solle. Doch wenn sie die Schuhe auszöge, dann müsste sie mit ihren funkelnagelneuen Strümpfen auf dem Beton gehen, der sie rücksichtslos ruiniert hätte. Das wollte sie auf gar keinen Fall. Wenn sie also tatsächlich die Schuhe auszöge, müsste sie auch die Strümpfe ausziehen und den Strumpfbandgürtel. Nicht, dass die Strümpfe dazu angetan gewesen wären die Kälte wirklich abzuhalten, doch sie waren besser als Nichts. So stand sie, um drei Uhr morgens, geschätzte drei Kilometer von ihrem Bett, aber vor allem von ihrem Kühlschrank entfernt im Wald auf einer Landstraße und haderte mit sich, dem Schicksal und den Schuhen, als sie plötzlich ein Knacken neben sich vernahm und im Augenwinkel eine Bewegung ausnahm. Ein Schrei des Entsetzens entfuhr ihrer Kehle, bevor ihr die Sinne schwanden.

„Immer wieder diese Streitereien“, dachte er, als er sie behutsam auf seinen Armen wog, „Warum müssen sich die Menschen das Leben so schwer machen?“ Es war nicht das erste Mädchen, das er so im Wald fand. „Eigenwillig und stur sind sie, alle miteinander und können keinen Zentimeter aufeinander zu gehen“, ließ er seine Gedanken schweifen, während er mit seiner hübschen Last zu seiner Hütte ging. Vorsichtig legte er sie am Bett nieder und betrachtete sie, ihr Gesicht, die schmalen Schultern, die schlanke Taille, die sich prägnant unter dem engen Kleid abzeichnete, die bestrumpften Beine und die markanten High-Heels. Sacht ließ er seine Hand über die glänzenden Nylons streifen, bis zum Ansatz, an dem sie mit dem Strumpfbandgürtel verbunden waren.

„Wo bin ich? Was ist passiert?“, vernahm er eine schwache Stimme, genau in diesem Moment. Rasch nahm er die Hand zurück und sah ihr wieder in die Augen.
„Du bist in Ohnmacht gefallen und ich habe Dich in meine Hütte gebracht“, erklärte er rundheraus.
„Du scheinst das öfter zu machen“, mutmaßte sie.
„Früher vielleicht“, sagte er, und sie meinte, ein klein wenig Melancholie in seiner Stimme ausmachen zu können, „Aber heutzutage ist das nicht mehr so.“
„Wie meinst Du das?“, fragte sie.
„Das erste, was die meisten machen, ist sich die Schuhe und die Strümpfe auszuziehen, wenn sie denn überhaupt noch welche tragen. Dann kann ich sie nicht mehr retten“, erklärte er, „Aber Du hast sie angelassen. Deshalb habe ich Dich hierhergebracht.“
„Was für eine seltsame Logik“, dachte sie, während sie im Grunde heilfroh war, dass sie ihre Strümpfe nicht ausgezogen hatte, denn sonst könnte sie diesem, in seiner herben Art, gutaussehenden Mann nicht in die Augen sehen. Sie hörte wie ihr Handy in der Tasche vibrierte. Sollte es, sie hatte jetzt besseres zu tun. Damit legte sie ihre Hand in seinen Nacken und zog seine Lippen zu ihren. Die Nacht hatte immer noch die Chance ihre Verheißungen einzulösen.

Aus: Weibliche Ohn-machten

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