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Life is too short for boring stories

20.000 Arbeiter*innen aus zumindest 25 Nationen nahmen an diesem Streik teil, auch wenn es hieß, es wäre nicht möglich, nicht mit Arbeiter*innen, nicht mit Migrant*innen. Doch was unter der Ägide der IWW (Industrial Workers of the World) auf die Beine gestellt wurde, muss seinesgleichen suchen. So wurde ein 60-köpfiges Streikkomitee gebildet, in dem die 15, am stärksten vertretenen, Nationalitäten jeweils vier Mitglieder stellten. Außerdem wurden noch Stellvertreter*innen bestellt, um im Falle einer Verhaftungswelle arbeitsfähig zu bleiben. Dieses Komitee diente dazu, die Aktionen zu koordinieren und den Forderungen der Arbeiter*innen nach einer substantiellen Lohnerhöhung zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei konnten die Forderungen als durchaus nicht übertrieben gewertet werden. Einerseits verlangten sie eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf 54 Stunden pro Woche und eine Lohnerhöhung von 15%. Zieht man dabei in Betracht, dass der Stundenlohn im Schnitt 16 Cent betrug, bedeutet dies eine Erhöhung um 2,4 Cent pro Stunde. Dazu kam noch die Forderung nach einem verdoppelten Stundenlohn bei Überstunden. Dabei sind weiters die Steigerungen der Erträge der Fabrikanten nicht außer acht zu lassen (vgl. Teil 4). Doch selbst um das zu erreichen war ein so ausgedehnter Streik notwendig.

Das 60köpfige Komitee traf sich regelmäßig zum Austausch. Dabei waren die einzelnen Gesandten der verschiedenen Nationalitäten für ihre Leute verantwortlich. Sie wurden dafür mit Voten und Arbeitsaufträgen ausgestattet, die bei den täglich stattfindenden öffentlichen Versammlungen des Streikkomitees besprochen wurden. Um sicher zu gehen, dass auch jede*r den Diskussionsbeiträgen folgen konnte, wurden diese in 25 Sprachen übersetzt.

Insgesamt dauerte der Streik neun Wochen, in deren Verlauf 335 Arbeiter*innen festgenommen, und 320 von ihnen zu Geld- und Haftstrafen verurteilt wurden. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie es möglich war, ohne Lohn und Absicherung, diese neun Wochen wirtschaftlich zu überleben, wie die Versorgung der Kinder sichergestellt wurde oder die medizinische Versorgung.

Eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft

Trotz aller negativen Vorzeichen, fanden sich übers ganze Land verstreut viele Sympathisant*innen und Unterstützer*innen für den Arbeitskampf in Lawrence. Und entgegen manch heutiger Erfahrung, blieb es nicht bei verbalen Beteuerungen, sondern sie fanden handfesten Niederschlag. So versorgte eine belgische Bäckerei vor Ort 20.000 Arbeiter*innen wochenlang kostenlos mit Brot. Der IWW, deren Funktionäre im ganzen Land unterwegs waren, sammelte weit mehr als $ 74.000,– an Spenden für den Streik. Suppenküchen wurden eröffnet, und viele Ärzte folgten dem Aufruf nach Lawrence zu kommen, um den Menschen, den Streikenden und ihren Familien, kostenlose medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Darüber hinaus wurden einige hundert Kinder von Textilarbeiter*innen für die Dauer des Streiks bei Mitgliedern und Unterstützer*innen der IWW, der Sozialistischen Partei und anderer Organisationen in New York City und Philadelphia untergebracht. Damit waren die Kinder versorgt und die Eltern entlastet.

Endlich, am 13. März 1912, wurde von Arbeitgeberseite eingelenkt und eine Lohnerhöhung zwischen 15% und 21%, differenziert nach Lohngruppen, sowie die Einführung von Überstundenzuschlägen, angeboten. Dieses Angebot wurde angenommen.

Die Arbeiter*innen hatten einen langen, harten Kampf geführt. Es wurde deutlich, dass Solidarität und gemeinsames Eintreten viel bewegen kann, so dass das Brot gewonnen wurde, und die Rosen dazu:

Brot und Rosen

Wenn wir zusammen gehen, geht mit uns ein schöner Tag,
durch all die dunklen Küchen und wo grau ein Werkshof lag,
beginnt plötzlich die Sonne unsre arme Welt zu kosen
und jeder hört uns singen, Brot und Rosen.

Wenn wir zusammen gehen, kämpfen wir auch für den Mann,
weil unbemuttert kein Mensch auf die Erde kommen kann
und wenn ein Leben mehr ist als nur Arbeit, Schweiß und Bauch
wollen wir mehr – gebt uns Brot, doch gebt die Rosen auch.

Wenn wir zusammen gehen, gehen unsre Toten mit,
ihr unerhörter Schrei nach Brot, schreit auch durch unser Lied
sie hatten für die Schönheit, Liebe, Kunst erschöpft nie Ruh
drum kämpfen wir ums Brot und wolln die Rosen dazu.

Wenn wir zusammen gehen, kommt mit uns ein bessrer Tag,
die Frauen, die sich wehren, wehren aller Menschen Plag,
zu ende sei, dass kleine Leute schuften für die Großen,
her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen.

https://www.youtube.com/watch?v=KazwDZkbWF0

Im Nachhinein, nach gewonnenem Kampf, scheint alles einfach und selbstverständlich. Doch war es das wirklich, und was blieb davon? Ging das Leben ungebrochen einfach weiter? Nahmen die Herren der Fabriken diesen Angriff auf ihre Autorität und Souveränität einfach hin?

Aus: Weibliche Ohn-machten

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