war ich keineswegs depressiv, sondern so klar und pragmatisch, wie ich es mir selbst mir gegenüber – anderen sowieso – angelegen sein lasse. Und wie der Zufall es so wollte, schneitest Du an diesem Tag ins Haus.
„Was ist los mit Dir?“, fragtest Du unumwunden, was auch gar nichts machte, denn wir sind ja befreundet.
„Ich denke gerade darüber nach, dass die Redewendung, jemand schneit herein, nicht wirklich passend ist. Stell Dir mal vor, Du schneist im Sommer, eben so wie jetzt, so dass Du, kaum die Schwelle berührt habend, schon wieder weggeschmolzen bist“, erklärte ich nachdenklich.
„Und das ist es, womit Du meine Sorge zu besänftigen gedenkst?“, insistiertest Du kopfschüttelnd.
„Warum Sorge?“, entgegnete ich, auch wenn ich genau wusste was Du meintest. Aber das muss man schließlich nicht immer sofort zugeben.
„Worüber hast Du nachgedacht?“, fuhrst Du fort, mich mal wieder völlig ignorierend.
„Na so über dies und das. Was ich zum Mittagessen koche, und was ich sonst noch zu tun habe und über Selbstmord“, erklärte ich, während ich das Teewasser aufsetzte.
„Und was ist dabei herausgekommen?“, forschtest Du nach.
„Ich denke, ich mache ein Sauerkraut. Das hatten wir schon lange nicht mehr“, gab ich zurück. Doch da unterbrachst Du mich, ich muss sagen, wirklich ausgesprochen rüde.
„Stell Dich jetzt bitte nicht begriffsstutziger als Du bist!“, erklärtest Du barsch, „Was war mit Deinen Gedanken über Selbstmord.“
„Allgemein“, meinte ich.
„Speziell?“, fragest Du.
„Vielleicht, ein klein bisschen“, meinte ich.
„Wie bisschen?“, fragtest Du.
„Konkret, ein wenig“, meinte ich.
„Wie wenig?“, fragtest Du.
„Na wie man halt so vor sich hindenkt“, meinte ich.
„Und da denkt man was vor sich hin?“, fragtest Du.
„Nun ja, alles nur ein Gedankenspiel“, begann ich.
„Natürlich, was denn sonst“, meintest Du.
„Ich dachte also, eben weil ich kochte, dass es vielleicht noch ein paar Aufgaben gibt, ich meine Dinge, die von mir erwartet werden, Lebewesen, die ich noch unterstützen muss. Aber in, sagen wir mal, höchstens zehn Jahren, ist das nicht mehr der Fall. Also, wenn die Kinder aus dem Haus sind und die Hunde nicht mehr sind, dann könnte ich mich doch heimlich, still und leise verdrücken – und keinem würde es auffallen“, sagte ich.
„Und Du meinst, Du bist nur auf der Welt für was nutze, so lange Du kochen und Hundeschüsseln füllen musst?“, fragtest Du. Kann sein, dass Du ein wenig irritierst warst, aber da könnte ich mich auch irren.
„Ja“, antwortete ich kurz.
„Und was ist mit den Menschen, denen Du nahe stehst?“, fragtest Du weiter.
„Die werden es verschmerzen. Das Leben geht weiter“, meinte ich, fast gleichgültig, „Und eigentlich macht es keinen Unterschied, ob ich da bin oder nicht. Oder?“
Das Leben literarisch ergründen

Ungezähmt. Anleitung zum Widerstand


Der Weg ist das Ziel ist der Weg
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