Ein aussterbendes Gewerbe, das Sue noch nicht ganz verloren geben will und ein einsamer Mann, der den Anschluss ans Leben sucht. Werden sie es schaffen?

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Life is too short for boring stories

Sue Sullivan war ein zierliches Mädchen von gerade mal 20 Jahren. Sie hatte die Lehre zur Buchdruckerin und -binderin absolviert, allen Unkenrufen zum Trotz. Schließlich handelte es sich um einen Beruf, den es eigentlich nicht mehr gab. Das machten jetzt alles Maschinen. Sie würde ihr Leben damit nicht bestreiten können, hatte man zu ihr gesagt. Darauf erwiderte sie, dass sie bescheiden wäre und nicht viel brauche, eine waschechte Irin eben. Und das in Österreich. Mit ihren roten Haaren, den vielen Sommersprossen und den grünen Augen wirkte sie äußerst exotisch im Süden Österreichs. Aber vor allem war sie ein lebenslustiges und optimistisches Mädchen. Lange hatte sie nach einer Anstellung gesucht, aber keine gefunden. Es schien aussichtslos zu sein. Sie wollte schon aufgeben und noch eine andere Lehre machen, als ihr das Schicksal einen anderen Weg wies.  

Es war an einem Sonntagmorgen, als sie durch die Innenstadt von Klagenfurt flanierte. Da entdeckte sie einen kleinen Laden, der eher rustikal wirkte. „Zu vermieten“, stand groß in der Auslage und eine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme. Ohne lange nachzudenken, rief sie an. Es meldete sich ein alter Mann, dem offenbar das ganze Haus gehörte und meinte, er würde gleich hinunterkommen.
„Lorenz Manz“, stellte er sich vor.
„Sue Sullivan“, gab Sue ihren Namen preis.
„Ich hatte hier einen Schreibwarenladen, über viele Jahre“, erklärte er, „Doch dann schaffte ich es mit der Arbeit nicht mehr und fand auch keinen Nachfolger.“
„Was für ein Zufall“, erwiderte Sue, „Das ist genau das, was ich machen möchte. Mit Workshops zum Buchbinden und Kalligraphie und natürlich für Kinder zur künstlerischen Gestaltung und wunderschöne Schreibwaren.“
„Dann werden Sie sehen, dass alles auch genau so eingerichtet ist, wie Sie es brauchen“, meinte Lorenz, „Sie müssen wahrscheinlich nur abstauben und frische Ware hineinstellen. Aber lassen Sie uns hineingehen.“ Und Sue stellte fest, dass Lorenz recht hatte. Es war genau so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Ein Verkaufsraum, ein extra Raum, in denen sie ihre Workshops abhalten konnte und dahinter eine kleine Wohnung. Es war optimal. Die beiden wurden sich auch rasch einig.
„Ach ja, wenn Sie was brauchen, melden Sie sich“, erklärte Lorenz, „Mir ist langweilig und mir fehlt der Kontakt zu den Kunden.“
„Das ist unheimlich lieb von Ihnen“, erwiderte Sue.  

Sue war die nächsten Wochen vollauf beschäftigt mit der Verschönerung der Räumlichkeiten, mit dem Umzug in ihre neue Wohnung und mit dem Einkauf der Waren. So viele Dinge waren zu erledigen, dass sie sogar aufs Essen vergaß. Zum Glück war da Lorenz Manz, der immer wieder zu ihr herunterkam, bewaffnet mit Tee und Kuchen oder Sandwiches, je nach Tageszeit.
„Ich bin Ihnen so dankbar“, erklärte Sue immer wieder, doch Lorenz winkte nur ab.
„Ich weiß wie schwer der Anfang ist“, sagte er lapidar. Doch Sue hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Später, wenn sie sich eingerichtet hatte, dann würde sie sich richtig erkenntlich zeigen, nahm sie sich vor.  

Endlich stand der Eröffnungstermin fest und Sue ging daran in der Umgebung Flugblätter zu verteilen, um die Menschen zur Eröffnung einzuladen, sie mit dem neuen Geschäft bekanntzumachen, den sie „Sues kleiner Schreibwarenladen“ nannte, simpel und verständlich. Am Vorabend der Eröffnung stieg sie die zwei Treppen zur Wohnung von Lorenz Manz hinauf, um sich mit Selbstgekochten für seine Aufmerksamkeiten zu bedanken.
„Wie schön Sie zu sehen!“, sagte Lorenz lächelnd, als er ihr die Türe geöffnet und sie erkannt hatte.
„Ich wollte mich nur bedanken und dachte, ich bringe uns was zu Essen mit, selbstgemacht“, erklärte Sue.
„Bitte, dann kommen Sie herein“, forderte Lorenz sie auf,
„Wir gehen am besten ins Esszimmer. Wissen Sie, ich bekomme nicht viel Besuch, dieser Tage und man will auch nicht aufdringlich wirken. Wer will schon etwas mit einem alten Mann zu tun haben?“ Sue betrat das Esszimmer. Alles wirkte, als wäre es ein Museum, nicht eine Wohnung. Wie einsam musste dieser Mann sein? Unwillkürlich dachte sie an ihren Großvater. „Es gibt nichts Schlimmeres, als die Einsamkeit“, hatte er einmal zu ihr gesagt und Sue begann zu begreifen, was er damit sagen wollte. Aber konnte man da irgendetwas tun? Konnte sie irgendetwas tun? Sie würde es hoffentlich erfahren.

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