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Life is too short for boring stories

Ich lasse die Bank hinter mir und folge dem glitzernden Blau, das mich weiterführt zu der Bank, auf der Du sitzt. Meine Gefühle sind zwiespältig. Du wirkst abwesend, beachtest mich gar nicht. Ich verspüre den Wunsch Dich her zu holen, hierher zu mir, automatisch erwacht dieser Wunsch, doch im letzten Moment nehme ich mich zurück. Ich will keine Spiele mehr spielen, keine verabredeten, aber erst recht jene nicht, die Du mir aufoktroyierst. Allzu lange habe ich das gar nicht bemerkt. Es ist wie beim Tango tanzen. Du kommst einen Schritt auf mich zu. Ich nehme Deine Annäherung an, doch wenn ich nun meinerseits einen Schritt auf Dich zumache, dann weichst Du zurück, genau den Schritt, den ich auf Dich zugegangen bin. Ich sah es als Aufforderung, und ging wieder auf Dich zu. So ging es immer hin und her. Am Anfang war es wohl recht amüsant. Am Anfang war es wirklich ein Spiel, doch Du behieltest es in jeder Situation bei. Nie entstand eine wirkliche Nähe. Doch wieviel war ich bereit zu übersehen, zu Anfang, denn Du tanzest mit mir, und ich hielt es für Leben.

„Willst Du mit mir tanzen, durchs Leben tanzen, heute und alle Tage, die noch kommen mögen, für immer? Willst Du mit mir?”, fragtest Du mich, und ja, Du hattest es gesagt, mit aller Klarheit, dass Du mit mir durchs Leben tanzen möchtest, dass Du dieses Spiel beizubehalten gedachtest, nicht mehr und nicht weniger als für immer.
„Ja, ich will mit Dir durchs Leben tanzen, möchte bei Dir sein, für immer”, antwortete ich, weil ich glaubte, dass wir tanzen, aber auch zusammenkommen, weil ich glaubte, dass ich verstand was für immer bedeutet, wie ich – gekennzeichnet, gebrandmarkt von den Vor- und Schnellurteilen der Jugend -, vieles zu verstehen meinte, wovon ich heute weiß, dass ich es nicht verstehe, ja immer weniger verstehe, in dem Moment, in dem ich mich hier, zu Dir auf die Bank setze, nicht mehr bereit Dein Spiel mitzuspielen. Nie mehr bereit. Ein Schritt vor, einer zurück, immer im Takt. Wiegeschritt. Der Tango kennt auch ein miteinander. Es war wohl Cha-Cha-Cha. Zwei spielende Kinder. Das Leben aber ist kein Spiel. Ich will nicht mehr spielen. Ich bin müde, nicht nur vom Spielen, nein, vor allem davon das Spiel in das richtige Leben zu integrieren. Richtig ist ein Miteinander, ein Zugewandt, manchmal auch ein Abgewandt, ein Voneinander-weg, aber nicht bloß einen Schritt, sondern so weit wie es notwendig ist, um einander wieder sehen, richtig sehen zu können, um ein wirkliches Aufeinander-Zu erneut zu ermöglichen.

So sitze ich neben Dir, ohne Dich aus Deiner Abwesenheit zu holen. Langsam wendest Du Dich mir zu.
„Warum holst Du mich nicht?”, fragst Du, und es klingt nach Kränkung und verletzter Eitelkeit.
„Weil ich nicht mehr mitspiele. Weil ich nicht mehr tanzen will. Oder nicht nur tanzen will”, antworte ich wahrheitsgemäß.
„Aber Du hast Du es versprochen. Weißt Du das nicht mehr?”, fragst Du, und nun bist Du wirklich beleidigt.
„Natürlich weiß ich es noch. Wie könnte ich das nicht mehr wissen? Wie könnte ich den Moment vergessen, in dem ich mich versprochen habe? Nur bin ich mittlerweile dahintergekommen, dass das Leben mehr ist, mehr als Tanz und Spiel. Teilhabe und Wahrhaftigkeit würden es ausmachen, und nicht im Versuch sich darauf zu beschränken, nicht aus dem Takt zu kommen”, sage ich Dir, und Du hörst zu, vielleicht.
„Dein Versprechen ist also nichts wert”, entgegnest Du – und ich weiß, Du hast es nicht verstanden. Könntest Du denn verstehen?
„Mein Versprechen kann nichts wert sein, genau so wenig wie Deines, denn ich kann mich nicht für den Rest meines Lebens festlegen. Das ist Verrat an mir und an Dir”, sage ich entsprechend.
„Aber mein Versprechen gilt. Du verstehst mich nicht, aber es ist auch egal, so lange Du nicht aus dem Takt kommst”, sagst Du, und ich verlasse die Bank, dem Glitzern zu folgen und Dich Deinem Spiel zu überlassen, einem Spiel, das nicht mehr meines ist, und eigentlich niemals meines war.

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Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten

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