„Guten Tag, Herr Doktor“, begrüßte Lisa den Anwalt freudestrahlend, was ihn noch mehr verunsicherte. „Wer war je auf die Idee gekommen, sich zu freuen, wenn er zu Besuch kam?“, dachte er betrübt bei sich. „Genau Sie brauchen wir jetzt“, erklärte Lisa, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, vor allem, ihn nicht zu Wort kommen zu lassen, fasste ihn am Arm und zog ihn hinter sich her durch das Haus und in den Garten.
Währenddessen wurde auch eine andere Türe geöffnet. Fr. Ehrgeizig öffnete für ihre Gäste.
„Herzlich willkommen“, schmetterte sie Hr. und Fr. Brügge entgegen, wohingegen sie für Hr. Dr. Schön nicht mehr als ein Kopfnicken übrighatte. Aber Kund*innen waren eben wichtiger als Nachbar*innen.
„Danke für die Einladung“, erklärte Fr. Brügge, während sie sich im Haus umsah und ihr Blick einen etwas verwunderten Ausdruck annahm.
„Wir freuen uns, dass sie dieser nachgekommen sind“, erklärte Fr. Ehrgeizig und es klang ehrlich, was auf die jahrelange Übung zurückzuführen war, „Wenn Sie mir jetzt in den Garten folgen wollen. Mein Mann ist schon fertig mit dem Grillen. Dann wollen wir es uns schmecken lassen und anschließend ein wenig plaudern.“ Bereitwillig folgte das Paar der Gastgeberin. Hr. Dr. Schön schnupperte kurz in die Luft, wie ein Terrier, der eine Fährte aufnimmt und trabte, freudig erregt über den kommenden Gaumenschmaus, hinterher.
Auf der Terrasse war der Tisch aufwendig gedeckt. Große Teller mit knackigem Salat und frischen Kräutern versehen, fanden sich. Hocherfreut setzten sich Hr. und Fr. Brügge zu ihren Tellern, während sich Hr. Dr. Schön wohl auch artig auf den Platz begab, doch eher bekümmert dreinschaute. „Sollte das alles sein? Konnte ihn seine Nase wirklich so getäuscht haben?“, fragte er sich, als Hr. Ehrgeizig auf jeden der Teller ein optimal gegrilltes Kobe-Steak platzierte, mitten auf den Salat. Erstaunt legte Hr. Brügge die Gabel, die er bereits in die Hand genommen hatte, um sich den Salat schmecken zu lassen, bei Seite.
„Was ist das?“, fragte er irritiert.
„Feinstes Kobe Rind“, erklärte der Hausherr, so mit sich selbst und der Welt zufrieden und mit vor Stolz geschwellter Brust, dass er den Anflug von Unverständnis und Ärger in der Miene seiner Gäste nicht wahrnahm, denn mit Kobe Rind konnte man schließlich nichts falsch machen. Ganz im Gegenteil, wenn ein fetter Geschäftsabschluss winkte, war das Beste gerade gut genug. Er würde es ihnen sowieso verrechnen. Auch Hr. Dr. Schön nahm die aufkeimende Verstimmung nicht wahr, zu sehr war er damit beschäftigt das teure Fleisch in sich hineinzuschaufeln, als hätte er Angst, irgendwer würde es ihm streitig machen.
„Hr. Ehrgeizig, haben Sie sich unsere Produkte, die sie angeblich für uns vermarkten wollen, überhaupt angesehen?“, fragte Hr. Brügge.
„Natürlich, sie wollen sich auf so pflanzliche Grillsachen spezialisieren. Vegan nennt sich das wohl“, entgegnete Hr. Ehrgeizig arglos, während seine Frau ein wenig zurückwich, denn ihr war mittlerweile klar, dass sie einen fundamentalen Fehler gemacht hatten, auch wenn sie nicht wusste, welcher das gewesen sein könnte. Soweit reichte ihr Denken nicht.
„Stimmt und da setzen Sie uns allen Ernstes etwas zum Essen vor, das gelebt hat und für uns ermordet worden ist?“, ergänzte Fr. Brügge nun.
„Ach was ermordet, es wäre sowieso irgendwann gestorben“, meinte Hr. Ehrgeizig achselzuckend, „Und die Geschäftsidee ist genial. Es gibt ja angeblich immer mehr von diesen Spinnern. Also ran an den Speck, wie ich so schön sage.“
„Für uns ist das nicht einfach ein Geschäft, sondern wir möchten den veganen Gedanken verbreiten, denn nur der Veganismus kann unsere Welt retten“, erwiderte Hr. Brügge, sachlich, aber doch energisch.
„Ja, wir sind auch solche Spinner und wollen nicht an den Speck ran, sondern es für die Menschen leichter machen, sich vegan und damit gesund zu ernähren“, ergänzte Fr. Brügge.
„So wie die dort drüben?“, fragte Hr. Ehrgeizig fast tonlos, auf das Haus von Lisa und Ben weisend.
„Ach mein Mann hat das nicht so gemeint“, versuchte Fr. Ehrgeizig die Situation zu retten, „Wir wollten nur austesten wie ernst es Ihnen mit diesem Veganismus ist.“ Doch da war das Ehepaar bereits aufgestanden.
„Wir finden selbst hinaus“, sagte Hr. Brügge grimmig, womit sie die Terrasse und das Haus verließen. Blitzartig erfasste Hr. Dr. Schön die Lage. Während das Ehepaar Ehrgeizig noch immer wie paralysiert dasaß, schnappte er sich die beiden anderen Steaks, denn egal ob ermordet oder nicht, verkommen durfte man das Fleisch deshalb nicht lassen. Schließlich würde das das Rind auch nicht mehr lebendig werden lassen.
Das Leben literarisch ergründen

Ungezähmt. Anleitung zum Widerstand


Der Weg ist das Ziel ist der Weg
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Herrlich – Kobe Rind für Veganer. Tiefere Fettnäpfchen findet man kaum 😂😂😂
Da hat sich jemand eindeutig was gedacht, bei dem, was er tut
Danke Das Du die Thematik für jede(n) Leser*in so schön deutlich aufzeigst.
(Sorry, Kleinkram: bei, Zitat “Hr. Dr. Schön schnupperte ich kurz in die Luft, wie ein Terrier, der eine Fährte aufnimmt und trabte, freudig erregt über den kommenden Gaumenschmaus, hinterher.”, ist wohl ein “ich” zuviel?)
lieber Gruß aus Unterfranken *smile*
Danke für den Hinweis. Ich bin so gut beim überlesen