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Life is too short for boring stories

Endlich saß er im Auto, hatte den Motor bereits gestartet und war im Begriff sie anzurufen, als unvermutet die Beifahrertüre geöffnet wurde und seine Frau ins Auto sprang. Deshalb ließ er das Handy stecken und begnügte sich damit, sie verdutzt anzusehen.

„Ich dachte mir, ich komme doch gleich mit“, erklärte sie, „Jetzt schau nicht so. Oder passt es Dir vielleicht nicht ins Konzept, dass ich mitfahre? Hattest Du etwas vor, das ich nicht wissen sollte?“ Sie war sich sicher, dass dem so war. Deshalb hatte sie kurzerhand beschlossen, mitzufahren. Natürlich hatte sie sämtliche seiner Kommunikationsmöglichkeiten unter Kontrolle, aber dennoch ließ sie das Gefühl nicht los, dass er sie betrog, auch wenn sie nicht wusste, wie er das anstellte, mit ihr, der Anderen, in Kontakt zu treten.

„Du weißt genau, dass ich jetzt noch ins Atelier fahren wollte, um zu arbeiten“, erklärte er, während er den Wagen in Gang brachte, „Du wirst Dich nur langweilen. Außerdem hätten wir uns im Anschluss bei dem Vortrag getroffen.“

„Das ist mit ein Grund, warum ich mitfahre“, erklärte sie, ein ungezwungenes Lächeln auf den Lippen, weil sie überzeugt davon war, dass sie in wenigen Minuten seinen Schwindel aufdecken würde und als Siegerin sagen könnte, „Ich habe es doch schon immer gewusst, was Du für einer bist.“ Dann würde er monatelang zu Kreuze kriechen müssen, bis sie ihm gnädiger Weise verzeihen könne und gleichzeitig hatte sie einen Grund, den Ring um seinen Hals noch enger zu schnallen. Er brauchte doch nicht zu glauben, dass sie sich etwas wegnehmen ließe, von keiner dahergelaufenen Tussi. Laut jedoch fügte sie hinzu. „Wir sind zu den letzten Veranstaltungen immer getrennt gekommen. Das macht kein gutes Bild. Die Leute reden schon und streuen die wildesten Gerüchte aus. So heißt es, Du hättest eine Geliebte.“

„Du weißt genau, dass die Leute immer reden. Das ist ja das Schlimme und Du hängst Dich am erstbesten Gerücht auf, das irgendwer in die Welt setzt. Ich hätte Dich eigentlich für reflektierter gehalten“, konnte er nicht unterlassen anzumerken. Die Nervosität, die sich seiner bemächtigt hatte, wuchs sich langsam zu einer Panik aus, denn er hatte keine Chance sie zu benachrichtigen, seine Geliebte, wie seine Frau sie genannt hatte. Dabei war es ihr lieber als seine Liebhaberin bezeichnet zu werden, aber solche Wortspielereien taten jetzt nichts zur Sache. In ein paar Minuten würde es passieren, alles auffliegen und er würde im schlimmsten Fall alles verlieren, das Haus vor allem. Aber er konnte nicht zurück. Vielleicht würde doch noch ein Wunder geschehen. Er würde auf jeden Fall so lange nichts preisgeben, so lange es nicht unbedingt notwendig war. Während das Ehepaar die letzten Kilometer schweigend zurücklegten, steuerte ein anderer Wagen das Haus, in dem sein Atelier lag, an, von der anderen Seite der Stadt kommend.

„Komisch, dass er sich nicht meldet“, dachte seine Geliebte, die sich bevorzugt seine Liebhaberin nennen hätte lassen, wenn es denn irgendjemand außer ihnen gewusst hätte. Aber es war ihr Geheimnis und sollte es auch bleiben. Spannend von außen mitzuerleben, wie selbst der ausgeklügeltste Überwachungsapparat, den seine Frau aufgebaut hatte, ausgetrickst werden konnte. Sie wusste was das bedeutete, denn schließlich hatte sie es selbst miterlebt. Der Unterschied war, sie hatte sich aus dieser Überwachung befreit und sie würde es auch nie mehr zulassen, dass es jemand mit ihr machte. Natürlich hatte es auch seine Vorteile. Viele Männer sehen in ihren Ehefrauen eine Mama mit erweiterten Bedürfnisbefriedigungs-kompetenzen. Dafür lassen sie sagen, wie sie sich zu benehmen haben, zurechtweisen, wenn sie sich danebenbenehmen, sich sagen, was sie anzuziehen haben und an sich herumzupfen, wenn der Hemdkragen nicht ordentlich sitzt. Im Gegenzug werden sie bekocht, bewaschen und beputzt, mit einem Wort bemuttert. Dass die Ersatzmama alles kontrollieren darf, das liegt in der Natur der Sache. Das war allerdings nicht ihr Problem, denn schließlich hatten sie sich so entschieden. Was sie jedoch etwas anging, war, dass da an diesem Abend irgendetwas nicht stimmte. Sie hatte so ein Gefühl. Und wenn es zwei Dinge gab, die sie im Laufe der Jahre gelernt hatte, dann war es sich die Rosinen aus dem Kuchen zu holen und auf ihr Bauchgefühl zu hören.

Hier gehts zu Teil 2

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2 Gedanken zu “Selbst die beste Totalüberwachung hat ihre Lücken (1)

  1. Xeniana sagt:

    Hm. Ich glaube ja nicht, dass sich durch Totalüberwachung irgendetwas verhindern lässt. Klingt nach einer ehe die am Ende ist.

    1. novels4utoo sagt:

      Völlig richtig …

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