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Life is too short for boring stories

Mit offenem Mund und ungläubigen Augen, merkte ich, wie mein bisheriges Leben zerbröselte. Da endlich wurde Mic bewusst, dass ich da war. Seine Miene wirkte wutverzerrt, als er mich durchdringend anblickte. Eine überbordende Angst begrub mich und jeden klaren Gedanken. „Ich muss hier weg“, war das einzige, was ich denken konnte. So schnell ich konnte, rannte ich aus dem Haus, sprang ins Auto und fuhr davon. Ich achtete nicht darauf, wohin ich den Wagen lenkte. Alles, was ich wollte war, das hinter mir zu lassen, als könnte ich damit rückgängig machen, dass ich den Mann, den ich so lange kannte und mit dem ich auf engstem Raum zusammenlebte, so gesehen hatte, wie in diesem Moment. Ich spürte, wie mir die Tränen übers Gesicht rannen, Tränen der Angst, aber auch der Wut und Verzweiflung über das Schicksal oder was auch immer, das mir von jetzt auf gleich alles genommen hatte. So zumindest schien es mir. Erst als der Motor zu ruckeln begann, kam ich wieder zu mir. Plötzlich blieb der Wagen stehen und ließ sich keinen Zentimeter mehr bewegen. Kopflos, wie ich war, sprang ich heraus und lief direkt in den Wald, sinn- und vor allem ziellos. Was wollte ich hier? Wie ein kleines Mädchen hatte ich bloß den Wunsch mich zu verstecken. Dann würde alles weggehen, denn was man nicht sieht, das gibt es auch nicht.

So stolperte ich vor mich hin, einfach immer weiter hinein in den Wald, dort, wo er mich nicht finden würde, wenn er mich verfolgte. Da endlich entdeckte ich eine Hütte, eine einsame, verlassene Hütte, die so mit Bäumen umwuchert war, dass man sie leicht übersehen konnte. Diese Hütte schien mir die ideale Zuflucht zu sein. Mit zitternden Händen drückte ich die Klinke nach unten. Wider Erwarten ließ sich die Türe ganz leicht öffnen. Ich hastete hinein und schloss die Türe sorgfältig hinter mir. In der Hütte selbst war es beinahe dunkel. Die Bäume nahmen das Licht und nur vereinzelt fielen schmale Streifen durch die Fenster. Zwei, drei Schritte ging ich vorsichtig vorwärts, als sich eine Gestalt aus dem Zwielicht schälte. „Das konnte doch nicht sein“, schoss es mir durch den Kopf, „Das durfte nicht sein, wie konnte er …“ Der Schrei, der bis jetzt festgesteckt war, entrang sich meiner Kehle. Dann schwanden mir die Sinne und eine selige, entrückende Ohnmacht umfing mich.

Blinzelnd sah ich ins Dämmerlicht, als ich wieder zu mir kam. Eine große breite Gestalt saß neben mir am Bett, auf das sie mich offenbar gelegt hatte. Ich konnte nicht mehr als Umrisse erkennen, doch die Stimme erkannte ich sofort.

„Es ist alles gut, Du bist in Sicherheit“, sprach er beruhigend auf mich ein.

„Mike, was machst Du denn hier?“, fragte ich, mit rauer, brüchiger Stimme.

„Interessanter wäre, was Du hier machst“, gab er zurück. Da fiel mir alles wieder ein, die Szene im Arbeitszimmer, Mics wutverzerrtes Gesicht und wie er aussah.

„Ich kann nicht … Er wollte … Ich hatte solche Angst …“, stammelte ich unzusammenhängend vor mich hin, woraufhin mich Mike schlicht in den Arm nahm. Es tat gut, einfach gehalten zu werden und nicht reden zu müssen. Einmal nicht reden.

Da ging die Türe abermals auf und ich verkroch mich noch mehr in Mikes Armen, als ich erkannte, wer es war.

„Bitte, bitte beschütz mich“, flüsterte ich, irgendwie an ihn gepresst, so dass ich meine eigene Stimme kaum erkannte.

„Wovor soll ich Dich genau beschützen?“, erwiderte er, und ich wusste, dass er grinste, breit, ohne es sehen zu müssen.

„Er will mir was antun, ich weiß es“, gab ich zurück, „Ich habe es in seinen Augen gesehen.“

„Liebes, das ist das Letzte, was ich wollte“, ließ sich nun Mic vernehmen, der offenbar so wie er war, so wie ich ihn gesehen hatte, aufgebrochen war, was natürlich zu Mikes Belustigung beitrug, „Ich wollte Dir alles erklären, aber Du bist Hals über Kopf davon.“

„Erklären?“, dachte ich und versuchte, mir die Szene noch einmal zu vergegenwärtigen. Da wurde mir klar, dass er nicht wütend geschaut hatte, sondern das Licht hatte diese gespenstische Fratze gezeichnet. Der Rest war meine Interpretation. Aber was sollte ich sonst denken, angesichts dessen, was mir geboten wurde? Langsam ließ meine Anspannung nach und ich sah zu Mic, dem Mann, den ich so lange kannte und von dem ich dennoch nichts zu wissen schien.

Hier gehts zu Teil 6

Aus: Weibliche Ohn-machten

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