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Life is too short for boring stories

Du hast mich gefragt wie es mir geht, und ich antwortete mit einem flüchtigen „Gut“. Manchmal habe ich das Glück, dass Du dann nur mit einem halben Ohr hinhörst, dass Du nebenbei fragst, so aus Gewohnheit, oder weil es Dir gerade mal einfällt, dass jetzt, wo wir uns wiedersehen und das Schweigen zwischen uns steht, einfach irgendetwas gesagt werden müsste, aber es bringt uns nicht weiter. Besser wäre es gewesen das Schweigen als solches zu belassen und nicht so zu tun als ob wir uns miteinander unterhielten. Immer das gleiche, immer fängt es so an, mit diesem wie es mir geht, und ich schmeiße ein gut hin, und dann die Frage wie mein Tag war. Soll ich es einmal sagen, dienstagig oder montagig, je nach Wochentag, aber da würdest Du garantiert hellhörig werden. Genau das will ich allerdings vermeiden, und deshalb sage ich kurz „Eh gut“, und auch da hörst Du meist nicht zu, weil ich doch immer dieselbe Antwort gebe. Am Anfang hast Du doch noch weitergefragt, detaillierter nachgefragt, doch dann kam von mir nichts mehr. Es wurde bloße Konvention daraus, doch diesmal komme ich nicht durch mit meinem kleinen leichten „Gut“, mit meinem kleinen leichten Lächeln. Du hast offenbar zugehört und Du glaubst es mir nicht, denn Du fragst weiter, fragst ob es mir wirklich gut geht.

„Du willst also wirklich ganz offen und ehrlich wissen wie es mir geht?“, sollte ich nachfragen, um mich zu vergewissern, ob es Dir ernst ist mit Deinem Anliegen zu wissen, wie es um mich steht, zu erfahren, was mich im Innersten bewegt. Ich könnte Dir von all den großen und kleinen Verletzungen erzählen, die mir zugefügt wurden. Ich könnte Dir erzählen, dass ich ein Adler bin, dem man die Flügel gebrochen hat. Ich könnte Dir sagen, dass mein Leben beschissen ist, gerade eben, so zwischen gestern und morgen, jedes Mal ein verdammtes Heute, von dem ich immer noch nicht weiß was es eigentlich für einen Sinn hat. Leben, und alles so bedrängend, beengend.

„Du willst es wirklich hören, was sie mir angetan haben?“, sollte ich nachfragen, aber ich ertrage es nicht Dir mein Bild von mir zu zerstören, das Bild vom kleinen Vogel, der sich wohlbehütet in den Sträuchern verbirgt und sein Liedchen trällert. Der kleine unversehrte Vogel hat sich hinausgewagt und ein Raubvogel hat ihn gepackt, das Gefieder und das Herz zerzaust. Und Du würdest bloß sagen, dass es genau das ist, wovor Du mich immer gewarnt hast! Ich will nicht, dass Du das sagst. Ja, Du hast mich gewarnt, und ja, es ist schlecht ausgegangen und überhaupt war alles genau so, wie Du es mir prophezeit hast, aber ich hätte nie gedacht, dass es so verdammt weh tut. Man fühlt nur den erlebten, niemals den erzählten Schmerz. Aber ich will das gar nicht hören, weil ich es weiß. Du würdest vielleicht sagen, dass Du es verstehst, aber ich will nicht, dass Du verstehst. Ich will gar nichts mehr, nur den Tag überstehen, diesen Tag zwischen gestern und morgen. Sonst nichts.

„Du willst wirklich wissen wie ich mich fühle?“, sollte ich nachhaken, und ich denke nicht, dass Du Dir über die Folgen wirklich im Klaren bist.  Der Schmerz wird sichtbar und die Narben auf meinem Körper und auf meiner Seele, und Du wirst es nicht verwinden mich verwundet zu sehen und in der Bereitschaft wieder verwundet zu werden, bloß um das Leben zu spüren, in der trostlosen Leere zwischen gestern und morgen, bloß ein bisschen spüren, mehr will ich doch gar nicht.

„Du willst wirklich wissen was mit mir los ist?“, sollte ich entgegenhalten, aber nein, ich will es Dir nicht erzählen. Deshalb sage ich einfach Gut, und hoffe, dass Du unaufmerksam bist, aber selbst, wenn Du aufmerksam bist, und meinst, dass es Dich nicht überzeugt, mein Gut, dann habe ich mir was zurechtgelegt, spreche davon, dass es sich nur so anhört, denn eigentlich sei ich nur müde oder habe Kopfweh oder irgendetwas anderes. Das lenkt ab.

„Es geht mir schlecht!“, sollte ich antworten, aber ich tue es nicht, denn Du brauchst es nicht zu wissen. Es gehört mir. Vielleicht ist es das Einzige, aber das zumindest will ich behalten. Aber letztendlich bin ich überzeugt, eigentlich willst Du es nicht wirklich wissen, eigentlich geht es Dir viel besser, wenn ich sage es geht mir gut.

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Ein Gedanke zu “Du willst es nicht wirklich wissen

  1. Jesska sagt:

    Ich weiß nicht ob es nicht doch besser ist es einfach zu sagen.. Manchmal wird man arg überrascht wie empathisch die Antworten sind

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