Es war ein kalter, nebeliger Tag, als Christian und Martinique sich entschlossen in den Wald zu gehen. Eigentlich war ihr kalt und sie war müde, doch kaum, dass sie den Waldrand erreicht hatten, war es wie ein Erwachen. Die Füße fest am Boden, war es ihr, als würden ihr Wurzeln wachsen, durch die die Kraft der Erde in sie strömte, sie durchfloss. Unwillkürlich hielt sie inne und schloss die Augen. Alle Müdigkeit, alle Trägheit, ja selbst die Kälte, schienen mit einem Schlag wie weggewischt. Da spürte sie sich am Arm gehalten, so dass sie irritiert die Augen wieder öffnete. Christian hielt ihren Arm und führte gleichzeitig den Finger an seine Lippen, um ihr zu bedeuten, dass sie ruhig sein solle, woraufhin er auf das Feld neben dem Waldrand wies. Was wollte er ihr zeigen? Zunächst erkannte sie gar nichts, doch dann nahm sie eine Bewegung wahr, und endlich sah sie es auch, Feldhasen, die eifrig herumsprangen und die kargen Überreste fraßen. Verträumt sah Martinique ihnen bei ihrem geschäftigen Treiben zu. Es ist schön, das Leben, weil es ist.
Da zerriss ein ohrenbetäubender Knall die idyllische Szenerie. Einer der Hasen blieb liegen. Die anderen liefen davon. Martinique war wie erstarrt, während sie spürte, dass sie am ganzen Körper zitterte. Gleich würde er kommen und sein Opfer holen. Und sie würde einem Mörder ins Gesicht sehen. Doch es kam niemand. Sie meinte, sie hätte sich das nur eingebildet, doch der tote Hase lag am Feld, sie standen hier, aber niemand kam. Bloß ermordet und liegen gelassen. Und eine ungeheure Wut stieg in ihr hoch. Dieser Hase wollte nichts als leben, und dann kommt einer, der ihn erschießt, bloß aus Spaß an der Freud. Dann doch vielleicht besser als Streicheltier für die Kinder.
Es war in einem Garten gewesen, irgendeinem privaten Garten, in dem sie zu einem Grillfest eingeladen war. In diesem Garten stand ein großes Hasenhaus und daneben erstreckte sich ein großes Freilaufgehege. Um der Kinder willen stand es dort. Vier langohrige Vertreter dieser Spezies saßen da, dicht zusammengekauert in einer Ecke. Sie zitterten am ganzen Leib, denn mit ihnen im Gehege war ein kleiner Junge, ungefähr vier Jahre alt, der sie unentwegt von einer Ecke zur anderen jagte. Und mit jedem misslungenen Versuch sie zu fangen, wuchs seine Wut, so dass er nach dem Hasen trat, der ängstlich an ihm vorbeilief. Mit voller Wucht erwischte er das kleine Tier in der Seite, so dass dieses bis zum anderen Ende des Geheges geschleudert wurde. Fassungslos sah sie zu. Der Hase sollte den Jungen gefälligst lieb haben, vernahm sie aus seinen wenigen Worten. Hilfesuchend sah sie sich um, ob denn nicht irgendwer einschreiten würde, den Jungen erklären wie man mit anderen Lebewesen umginge, doch niemand schien es für notwendig zu halten. Deshalb nahm es Martinique in die Hand und ging zu dem Jungen hinüber. Sanft sprach sie mit ihm, über den Schmerz des Hasen, über die Möglichkeit miteinander zu sein, wenn man nur genügend Geduld habe. Der kleine Junge hörte aufmerksam zu. Martinique meinte schon ihn überzeugt zu haben, als plötzlich ein Mann neben ihr stand. Groß wie ein Baum erschien er ihr, zumal sie am Boden hockte, doch auch weil er die Hände bedrohlich in die Hüften gestemmt hatte. Sie solle doch gefälligst nicht so mit seinem Sohn reden, denn er habe schließlich nichts gemacht. Und dem dummen Vieh mache das nichts aus. Langsam erhob sich Martinique und sah den Mann an, weil sie nicht glauben konnte, dass das wirklich wahr war, dass man Kinder dazu erzog, Tiere zu misshandeln oder es zumindest nicht hinderte.
Und sie gehen zur Kirche, die guten Christen. Wenn sie nach Hause kommen, steht der Hasenbraten auf dem Tisch. Die Hasen sind zur Fleischproduktion über wenige Wochen in kleinen Käfigen gesessen. Zusammengepfercht, fettgefüttert, lange vor der Zeit abgeschlachtet. Man lässt es sich schmecken und denkt an Ostern. Wie konnte es nur geschehen, dass der Messias an die Schergen der römischen Besatzung ausgeliefert wurde, ein Mann, der für Nächstenliebe und Leben stand, denken sie noch, und merken nicht, dass sie mit jedem Bissen, den sie tun eben jenen Verrat begehen, immer wieder aufs Neue. Denn wer liebt, fügt kein Leid zu und wer das Leben bejaht, mordet nicht. Und wer den Tod auf dem Teller hat, kann kein Christ sein.
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