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Life is too short for boring stories

Dass das Leben seine Vorgaben und seinen Rhythmus hat, das hatte ich schon früh begriffen. Alles hat seinen Anfang und sein Ende. Man wird geboren, lebt eine Weile und dann stirbt man. Das ist eben so und nicht weiters bemerkenswert. Bemerkenswert wäre höchstens die Tatsache, dass zwischen dem Wissen und Verstehen und dem tatsächlichen Begreifen die ganze Spanne des Lebens liegen. Denn etwas Erkennen und sein Erkennen in ein Leben umzusetzen, es zu füllen und erfüllen, das sind zwei verschiedene Dinge, und sie müssen es auch sein, denn niemals kann man wissen was und wer man ist, in dem Abschnitt, in dem man noch nicht ist. Wenn man beginnt ist das Leben wie ein weites offenes Feld, das man mit Entscheidungen immer mehr begrenzt. Diese Begrenzung hat auch seine Vorzüge. Sie hilft mir mich zu konzentrieren, hilft mir zu bleiben.

Ich schließe die Ausbildung ab und trete ins Berufsleben ein. Ich arbeite, erfülle Aufgaben und begrenze mich in meine Tätigkeit, so dass ich sie erfüllen kann. Ich gründe eine Familie. Partner, Kinder. Die Kinder sind klein und hilfsbedürftig. Ich begrenze mich auf das Gebraucht-werden und konzentriere mich darauf, da zu sein und für jemanden zu sorgen. Die Art des Gebraucht-werdens ändert sich, bis sie das Haus verlassen. Ich weiß es und wusste es, dass der Tag kommt, dass sie mich aus meiner Begrenztheit entlassen, indem sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Ich muss mich nicht mehr auf sie konzentrieren. Eine neue Freiheit, von der ich wusste, dass sie kommen würde, an die ich aber erst glaube, wenn sie da ist.

 

Ich bin in der Freiheit. Die Begrenzungen sind zerbrochen. Will ich wieder zurück in eine Begrenzung? Oder will ich in dieser Freiheit bleiben? Doch was wird mit mir in dieser Freiheit? Da entsinne ich mich der Träume, die ich hatte, damals, die ich nicht umsetzen konnte und mit den Jahren immer mehr in den Hintergrund rückten. Es war nicht die Zeit und nicht der Ort dafür. Sacht enthülle ich sie. Wieder. Nehme sie heraus und betrachte sie, prüfe genau, ob sie noch der Erfüllung wert sind. Manche entpuppen sich als bloße Illusion. Andere sind einfach überholt oder ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was daran je träumenswert gewesen war. Aber weil ich mich nun mal einfach nur nicht erinnere, packe ich sie wieder ein. Für später. So dass nur der eine bleibt, der sich jetzt einfügt.

 

Es gibt niemanden mehr, den ich um Erlaubnis fragen, dem ich erklären müsste, außer mir selbst – und Dich frage ich ob Du diesen Traum, oder dessen Einlösung mit mir teilen möchtest. Ob sich mein Traum mit Deinem überschneidet, weit genug ihn gemeinsam zu haben. Und weil Du dies bejahst, machen wir uns auf den Weg.

 

Während ich das denke, weilt mein Blick in der Ferne und meine nackten Füße liegen im nassen Sand. Manche Welle dringt sie weit vor, dass sie meine Füße umspülen und den Sand wegspülen, so dass ich ein wenig einsinke. Kühl ist das Wasser, aber die Sonne wärmt noch. Selbst im Herbst. Selbst an der Atlantikküste. Wortlos setzt Du Dich zu mir. Wenn unsere Blicke sich finden, schenken wir uns ein Lächeln. Einverständnis, in diesem Moment, ohne Worte. Man lernt auch das Schweigen als beredt zu erkennen und zu schätzen. Zumindest im Herbst.

 

„Es ist gut abschließen zu können“, sage ich unvermittelt, als die Zeit des Schweigens sich erfüllt hat.

„Es ist gut da zu sein“, entgegnest Du, und ich wundere mich nicht mehr darüber, dass Du mich verstehst, denn sonst hätten sich unsere Träume nicht überschnitten und wir wären nicht hier, „Heimat ist wo man nicht verloren geht.“

 

Ich sehe Dich an und weiß dass es gut ist. Wer weiß wie lange ich das noch kann. Es tut auch nichts zur Sache, nur dass man versteht wertzuschätzen. Diesen Moment. Das lernt man erst im Herbst, oder nie.

 

„Lass uns zurückgehen. Es wird schon frisch und dunkel“, sage ich, so dass ich aufstehe und Dir die Hand reiche, Dir aufzuhelfen. Es ist nicht mehr so leicht, das Aufstehen. Man muss es nicht besprechen. Es ist so. Nur, dass Du die Hand annimmst, so wie den Herbst und ein Ausklingen, das kommen wird. Doch bis dahin bleibt die Freiheit und die Zeit ohne Begrenzung, im Ausklingen.

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2 Gedanken zu “Ausklingen

  1. eatclean2017 sagt:

    zu deinem Beitrag fällt mir das Wort Vertrauen ein…wir sollten mehr vertrauen anstatt nachzudenken und zu zweifeln! 🙂

    1. novels4utoo sagt:

      Uns anvertrauen, dem Leben … Ja!

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